Volo will's wissen Moritz Rosenkranz im Konrad-Adenauer-Haus in Bad Honnef

Rhöndorf · Zugegeben: Ich habe Konrad Adenauers Memoiren nicht gelesen. Aber ich habe den Ort gesehen, an dem sie Mitte der 60er Jahre entstanden sind: diesen massiven hölzernen Pavillon im Garten von Adenauers Wohnhaus in Rhöndorf mit einem Panoramablick zum Niederknien. Überragend!

In Adenauers Wohnhaus, das außer montags täglich kostenlos besichtigt werden kann, und auch in der äußerst modernen Ausstellung im Neubau darunter, wird das Leben des ersten deutschen Kanzlers nach dem Zweiten Weltkrieg geradezu seziert. Vom ersten Zeugnis des jungen Konrad, das ihm sein Vater ausgestellt hat, um Schulkosten zu sparen, bis hin zu seinem Sterbebett kann alles besichtigt werden.

Und das ist grandios. Knapp 40 000 Menschen wollen sich das jährlich ansehen. Zu meiner Überraschung bin ich selbst an einem tristen Donnertagmittag nicht allein. Zu viert versucht die kleine Gruppe, die private Welt Adenauers so gut es geht nachzuerleben, nachzufühlen.

Was war Adenauer für ein Mensch? Das Haus, das nach Adenauers Tod 1967 dem Bund geschenkt wurde und seitdem völlig unverändert als Gedenkstätte betrieben wird, gibt einiges darüber preis: Zahlreiche Sitzecken verraten einen Hang zur Geselligkeit, religiöse Bilder einen starken Glauben, eine selbstgebaute Zeitschaltuhr für die Leselampe am Bett den Drang zum Erfinden und vor allem zum Sparen.

Gerade letztgenanntes ist eine erstaunliche Eigenschaft für einen Mann, dessen Wirken einen kaum messbaren Einfluss auf die Entwicklung Deutschlands hatte. Es ist geradezu ein Erlebnis für sich, wie Kleinbürgertum und Mondänität auf dem Adenauer-Gelände aufeinanderprallen: Im Haus abgewetzte Teppiche, die aus Kostengründen nicht erneuert wurden; im Garten eine eigens angelegte Boccia-Bahn mit Flutlichtanlage. So ging Kanzler damals!

Apropos gehen: 58 Stufen muss überwinden, wer bis zur Haustür kommen möchte. Altersgerechtes Bauen hatte Adenauer also nicht im Sinn, als er das Haus mit Anfang 60 errichten ließ.

Da wundert es nicht weiter, dass Charles de Gaulle der einzige internationale Politiker war, den Adenauer in seinen Privaträumen empfangen hat. Es hängen zwar auch ein Porträt von Winston Churchill und sogar ein selbstgemaltes Bild des damaligen britischen Primierministers an den Wänden. Doch Churchills Motto lautete bekanntlich "No Sports".

Adenauer muss ein angenehm unaufdringlicher Mensch gewesen sein. Zwar steckt das Haus voller Erinnerungen an die große Politik, finden sich viele Schenkungen von Staatsmännern aus aller Welt. Doch nichts ist protzig. vielmehr überall Understatement, das heutzutage vielen fremd zu sein scheint.

Die größte Leistung, die die Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, wie sie recht sperrig heißt, erbringt, ist, dass sie keinen Personenkult betreibt, sondern Geschichte sehr authentisch und nahbar anbietet. Das gilt sowohl für die Gedenkstätte, die von bewohntem Haus übergangslos in ein Museum übergegangen ist, als auch für die Ausstellung im modernen Neubau. Hier wird kein Gral gehütet, sondern eine Person und damit ihre Zeit erlebbar gemacht. Geschichte bekommt ein Gesicht. Meins lächelt zufrieden nach dem Besuch.

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