Weihnachten vor 25 Jahren Knecht Ruprecht hatte keine Chance

BAD HONNEF/ERPEL · Als Sebastian Schickart seine ersten Weihnachtsfeste erlebte, stand die Mauer noch, aber er merkte es nicht. Es war ihm nicht bewusst, denn im Kindesalter zählen die großen Mauern nicht, sondern nur die kleinen Hindernisse vor der eigenen Nase.

 Schnee zu Weihnachten? Den findet Sebastian Schickart eher in der sächsischen Heimat.

Schnee zu Weihnachten? Den findet Sebastian Schickart eher in der sächsischen Heimat.

Foto: Frank Homann

Der Kfz-Mechanikermeister, 1985 geboren, verheiratet und Vater eines zwei Jahre alten Sohnes, lebt mittlerweile in Erpel und arbeitet seit seiner Ausbildung im Bad Honnefer Autohaus Klinkenberg. Aber aufgewachsen ist er im sächsischen Wittichenau, Partnerstadt Bad Honnefs. Dort, wo der Winter noch Winter ist und der Schnee im Dezember mit einiger Zuverlässigkeit die Häuserdächer mit reinem Weiß bedeckt.

Das war früher so, und daran hat in den 25 Jahren seit der Wiedervereinigung auch der Klimawandel nichts geändert. Wenn Sebastian Schickart sich an die Weihnachtszeit in seiner Kindheit erinnert, denkt er daran, dass es in der Stube der Eltern herrlich warm war. Und die Lichter des Weihnachtsbaums, den Vater und Mutter schon in den Tagen vor Weihnachten gemeinsam geschmückt hatten, schimmerten bloß durch eine milchige Glastür. "Das Wohnzimmer konnten meine Eltern mit einer Wand abtrennen, so dass die Kulisse bis zur Bescherung nur zu erahnen war."

Sie hatten auch sonst ihre Traditionen in der Familie: Heiligabend gab es Kartoffelsalat mit Würstchen. Die Eltern besuchten mit den drei Kindern die Messe in der katholischen Kirche. Wittichenau gehört zu den wenigen ostdeutschen Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung. Und an den eigentlichen Festtagen besuchten sie die Verwandtschaft im Umkreis.

In dem knapp 6000 Einwohner zählenden Städtchen in der Oberlausitz gab es einen Weihnachtsmarkt. Knecht Ruprecht kam am Nikolaustag mit der Gerte vorbei, um Gerechtigkeit walten zu lassen. "Das lief immer auf eine Hetzjagd hinaus", erinnert sich Schickart schmunzelnd. Die Kinder bewarfen den Gehilfen des heiligen Bischofs mit kleinen Teufelsknallern und traten anschließend die Flucht an. Es war ein Spaß, aber hin und wieder bekamen sie bei der Verfolgung die Gerte zu spüren. "Es endete darin, dass einige Kinder in einer Hütte eingesperrt wurden, um über ihre Sünden nachzudenken." Doch das gefiel den meisten sogar, so wie es dem von Astrid Lindgren erdachten Michel aus Lönneberga im Tischlerschuppen gefiel.

In den kalten Wintertagen fror der am bedrohlich klingenden Galgenberg gelegene Dorfteich ein. Schon als Kind glitt Schickart mit Schlittschuhen darüber und spielte mit den Freunden Eishockey. Er hatte Schuhe mit vier Kufen unter den Füßen. "Optimal, um sich nicht auf die Nase zu legen." Zweimal war die Eisdecke zu dünn und er brach ein. Beim ersten Mal rettete ihn ein älterer Junge, beim zweiten Mal konnte er sich selbst aus dem Loch ziehen. "Ich kann mich nur dunkel erinnern, aber meine Eltern haben es erzählt."

Jedes Jahr fährt er mit Frau und Kind an den Feiertagen in die alte sächsische Heimat. Er empfindet es als entspannend, Zeit mit der Familie zu verbringen, obwohl in seinem Elternhaus immer viel los war und sich daran in einem Vierteljahrhundert nicht viel geändert hat. Abwechselnd besuchen sie seine Verwandten und die seiner Ehefrau.

Wie es der Zufall so will, hat er sie vor zwölf Jahren bei der Bonner Rheinkultur kennengelernt. Sie ist ein paar Jahre älter als er und stammt ebenfalls aus dem kleinen Wittichenau, aber die beiden kannten sich vorher nicht. Das wäre eine eigene Weihnachtsgeschichte wert - hätte sie sich nicht im Hochsommer zugetragen.

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