Siebengebirge "Kampf um den Rhein" vor 200 Jahren

SIEBENGEBIRGE · Die Nacht zum 3. Januar 1814 war bitterkalt. Aber nicht allein die eisigen Temperaturen setzten den Menschen im Siebengebirge vor 200 Jahren zu. Wochenlang zogen nach der Niederlage Napoleons bei Leipzig französische Einheiten in Richtung Rhein.

Der Stahlstich (etwa 1840) zeigt die Insel Nonnenwerth von der linken Rheinseite aus. Knapp 30 Jahre zuvor kämpften von dort aus Männer des Landsturms Siebengebirge gegen die französischen Soldaten, die auf der Landstraße unterwegs waren.

Der Stahlstich (etwa 1840) zeigt die Insel Nonnenwerth von der linken Rheinseite aus. Knapp 30 Jahre zuvor kämpften von dort aus Männer des Landsturms Siebengebirge gegen die französischen Soldaten, die auf der Landstraße unterwegs waren.

Foto: SIEBENGEBIRGSMUSEUM/HEIMATVEREIN

Ihnen folgten die alliierten Kräfte - preußische und russische Soldaten, die von der Bevölkerung Quartier, Verpflegung, einfach alles forderten, vom Hufeisen bis zu Tabak und Branntwein. Ein Zeitzeuge notierte: "Diese Dragoner waren sehr wüste Leute und machten in verschiedenen Häusern viel Unruhe, besonders aber durfte sich kein unschuldiges Mädchen von ihnen sehen lassen." In diesen unsicheren Zeiten bildete sich der "Landsturm vom Siebengebirge".

Der preußische Major Ferdinand Wilhelm Franz Bolstern von Boltenstern bezeichnete sich selbst als Gründer; vermutlich aber hat er bereits vorhandene Bürgerwehren im Siebengebirge nach seiner Ankunft Ende November koordiniert und ihnen den Stempel preußisch-militärischer Ordnung aufgedrückt. 2000 waffenfähige Männer gehörten zur Bereitschaftstruppe "Banner des Siebengebirges".

Die Liste der Offiziere liest sich wie das "Who's Who" der Honoratioren vom Rheinbreitbacher Graben bis zur Sieg, angeführt von Clemens August Freiherr von Schall zu Bell, dem Bürgermeister der Mairie Königswinter. Eigentlicher Zweck des "Landsturms" war der Schutz der Ortschaften und ihrer Bewohner, und darin unterschied er sich von einer "Landwehr", wie sie der preußische Major selbst befehligte. Da bot sich also weniger Raum für Heldentaten.

Aber einmal betätigten sich die Landstürmer doch militärisch kämpfend - am 3. Januar hatten sie ihren wichtigsten Einsatz. Bereits in der Neujahrsnacht war dem preußischen Generalfeldmarschall Blücher die Rheinüberquerung bei Kaub gelungen. In Koblenz und Mannheim waren die Alliierten ebenfalls auf französisches Terrain übergesetzt. Nun wollte Boltenstern auch in Mülheim über den Fluss und nicht weniger als die Stadt Köln den Franzosen entreißen.

Er startete ein Ablenkungsmanöver. Und diese Aktion fand ausgerechnet auf Nonnenwerth statt. Die Insel war zu diesem Zeitpunkt noch französisches Staatsgebiet. Napoleon persönlich hatte den Nonnen trotz Säkularisation erlaubt, auf der Insel zu bleiben. Boltenstern war noch im Dezember Gast der Benediktinerinnen. Am 2. Januar beauftragte er den Adjutanten des Landsturms, Franz Bernhard de Claer, "beyfolgenden Briefe gewiß in die Hände Sr. Excellenz Herrn Grafen von St. Priest zu geben".

Dieser russische General müsse irgendwo um Andernach herum sein. "... unterrichten Sie ihn von Ihrem Landsturm dort." Vermutlich informierte Boltenstern in dem verschollenen Brief an St. Priest nicht nur über seine Pläne in Mülheim, sondern auch über seinen Befehl an Hauptmann Bock, am 3. Januar mit 30 Gardejägern und 30 Landsturmmännern aus Königswinter, Honnef und Oberkassel einen Scheinangriff von Nonnenwerth auf das linke Rheinufer zu inszenieren.

Am Vortag gelang es dem Königswinterer Vorpostenkommandanten Johann Joseph Genger, den französischen Posten von der Insel ohne große Gegenwehr zu vertreiben. Heute vor 200 Jahren lieferten sich die Männer um Bock dann zwischen 11 und 13 Uhr ein Gefecht. Über das Ziel des Auftrags gibt es unterschiedliche Angaben, die vom Übersetzen auf das französische Ufer über die Vertreibung der französischen Zollwache bis hin zur Störung der Truppenbewegungen auf der Landstraße reichten.

In einer Befragung zwei Jahre später sagten Teilnehmer, sie hätten sich auf eigene Faust entschlossen, zur Büchse zu greifen, um dem Feind zu schaden, als sie Truppen der Franzosen beim Durchzug beobachteten. Genger, "einer der fertigsten Schützen und Jäger im Siebengebirge", wurde dabei schwer verwundet. Der Pächter des Wülsdorfer Hofes erlag seinen Verletzungen am 7. Januar.

Auch Major Boltenstern hatte in Mülheim kein Glück. Die französische Besatzung Kölns schlug seine unerfahrenen, in Panik geratenen bergischen Rekruten zurück. Es mangelte an Munition und Booten. Zwei der überfüllten Nachen sanken bei der Rückfahrt, mindestens zehn preußische Soldaten ließen ihr Leben. Boltenstern ertrank beim Versuch, auf seinem Pferd schwimmend den Rhein zu durchqueren, vermutlich von einer Kugel getroffen. Elf Tage später verließen die Franzosen Köln. Die Leiche des Majors wurde nie gefunden.

Viele Aspekte rund um den "Landsturm", die französischen Zeiten und ihre Folgen zeigt die aktuelle Sonderausstellung "Kampf um den Rhein" im Siebengebirgsmuseum, zu der auch ein Begleitbuch erschienen ist.

Denkmal und Kritik

Dem "hochherzigen" Genger und dem "tapferen" Boltenstern wurde auf dem Drachenfels das erste Landsturmdenkmal geweiht. Aber es gab später auch Kritik. Mehr Mut als Vorsicht habe Boltenstern aufgebracht und damit den Tod von Soldaten in Kauf genommen. Und auch Gengers Hochherzigkeit wurde angezweifelt.

Im "Rheinischen Antiquarius" ist 1861 von "Hinterhalt" und "Menschenjagd" zu lesen, ob "aus reinem Patriotismus" oder in "Folge des gefährlichen Schmugglergewerbes" sei nicht mehr zu klären. Gengers Kameraden setzten sich erfolglos für eine Witwenpension ein. Später erließ der preußische Staat der Familie Genger für ein Jahr die Hofpacht und verlängerte den Vertrag auf 24 Jahre. Der Wülsdorfer Hof musste der B 42 weichen.

Die politische Situation

Auf der anderen Rheinseite begann bereits Frankreich. Das Siebengebirge gehörte zum Großherzogtum Berg, dem Modellstaat Napoleons (* 15. August 1769, ? 5. Mai 1821), der mit der Niederschlagung des Kaisers bei der Völkerschlacht von Leipzig im Oktober 1813 zum Auslaufmodell wurde.

Die bürgerlichen Freiheitsrechte, die mit Napoleons Herrschaft 1806 eingezogen waren, bildeten nur die eine Seite in Napoleons Satellitenstaat. Auch im Siebengebirge wurden Rekruten gezogen. Die Wirtschaftsblockade gegen England wirkte sich auch hier negativ auf die wirtschaftliche Situation aus. Bereits im Frühjahr 1813 gab es im Großherzogtum Berg Unruhen, bei denen plündernde Aufständische bis ins Siebengebirge vorgedrungen sein sollen.

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