Jahrestag Arbeitsverbot am Siegfriedfelsen "Ich bin um zehn Jahre gealtert"

SIEBENGEBIRGE · Bis zum späten Vormittag war der 26. Juli 2013 für Karl-Heinz Broel ein Tag wie jeder andere. "Ich brütete über meiner Buchhaltung, als mein Mitarbeiter mich nach draußen bat, weil da zwei Leute wären. Ich vermutete Kundschaft", erinnert sich der Rhöndorfer Winzer.

"Aber als ich die beiden Männer sah, die Aktentaschen trugen und staatstragende Miene, wusste ich, das ist etwas anderes. Ich dachte an Lebensmittelkontrolle oder an eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt. Auch wenn man ein reines Gewissen hat, verursacht so etwas doch Anspannung."

Dann folgte eine Mitteilung "im nüchternen Ton", die Broel schockierte. Heute vor einem Jahr wurde ihm von Mitarbeitern der Bezirksregierung Köln, Referat Arbeitsschutz, verkündet, dass er wegen Steinschlaggefahr ab sofort keine Mitarbeiter mehr im Weinberg beschäftigen dürfe. Sein Kollege Bobbi Pieper aus Königswinter, der wie Broel unterhalb des Drachenfels sein Anbaugebiet hat, hatte die gleiche Nachricht kurz zuvor erhalten.

"Ich war erstarrt, ich stand unter Schock. Diese Zeit jetzt ist die Hauptwachstumsphase, da ist jede Hand im Weinberg willkommen", schildert Karl-Heinz Broel. "Als Winzer kennt man einiges: Hagelschlag, Vogelfraß, Schäden durch Wildschweine oder durch Krankheiten. Aber das war etwas ganz Neues, etwas Unfassbares."

Nachdem die Beamten seinen Hof verlassen hatten, liefen bei Karl-Heinz Broel die Tränen. "Mich packte die Verzweiflung. Meinem polnischen Mitarbeiter musste ich die Situation mehrfach erklären. Er konnte das gar nicht glauben." Die beiden betroffenen Winzer schlossen sich kurz, analysierten die Situation. "Ich selbst durfte in den Weinberg, es gab kein Betretungsverbot für mich, ,nur? das Beschäftigungsverbot für meine lohnabhängigen Mitarbeiter."

Der 65-Jährige: "Ich habe das Verbot sehr ernst genommen und die Arbeiten selbst erledigt. Abends bin ich noch einmal für zwei oder drei Stunden in den Weinberg. Aber vom Gefühl her war es so, als täte ich etwas Verbotenes, als wäre das Terrain auch für mich eine Tabuzone."

Was hat dieses Jahr mit dem Winzer gemacht? "Es kam mir wie zehn Jahre vor, ich bin um zehn Jahre gealtert. Es war existenzbedrohend", sagt Broel. "Ich habe schlecht geschlafen, hatte keinen Appetit, ich fühlte Ausweglosigkeit. Die Demonstrationen, der Rückhalt in der Bevölkerung, die Solidarisierung haben mir Stärke und Halt gegeben, uns allen. Es war das aufregendste Winzerjahr, wohl nur vergleichbar mit der Weinbergflurbereinigung. Wenn man so will, hat man sich im Geiste dieser Flurbereinigung - den Weinbau erhalten und ihm eine neue Perspektive geben zu wollen - besonnen." Und jetzt hat er die Perspektive: "Der Zaun kommt."

Hat der Diplomvolkswirt es jemals bereut, das 1742 gegründete Weingut seines Großvaters Wilhelm Heinen übernommen zu haben? "Nein. Mein Opa bat mich nach der Flurbereinigung, den Betrieb weiterzuführen, wenigstens für einige Jahre. Ich blieb und habe es nie bereut." Und jetzt hofft Karl-Heinz Broel auf einen guten 2014er Jahrgang. "Eine gute Ernte wäre ein kleiner Trost."

Post von der Bezirksregierung

Vor einigen Tagen erhielt Karl-Heinz Broel Post von der Bezirksregierung Köln: Nach Durchführung der geplanten technischen Schutzmaßnahmen am Siegfriedfelsen sei davon auszugehen, so teilte die Behörde mit, dass die Beschäftigten ausreichend gegen Stein- und Blockschlag geschützt sind. Die Ordnungsverfügung, die vor einem Jahr erlassen wurde, könne Broel damit nach Errichten des Zauns als erledigt betrachten.

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