Sozialpraktikum im Evangelischen Seniorenstift Abendfrieden „Ich bin da und höre einfach zu“

Sozialpraktikum im Evangelischen Seniorenstift Abendfrieden · Mit Hildegard Konrad hat Christian Brammer (15) gerade einen Spaziergang gemacht – ohne Hilfe könnte die 69-Jährige aus gesundheitlichen Gründen nicht vor die Tür gehen. Nun serviert er ihr das Mittagessen im Evangelischen Seniorenstift Abendfrieden. Christian besucht das Siebengebirgsgymnasium und leistet sein Sozialpraktikum in dem Altenheim am Honnefer Kreuz, konkret: auf der Station „Rosengarten“.

 Sibi-Schueler Sozialpraktikum Diacor

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Foto: Frank Homann

Warum haben Sie sich für ein Seniorenheim entschieden?
Christian Brammer: Um im Krankenhaus oder in einer Behinderteneinrichtung zu arbeiten, muss man 16 sein. Auf den Kindergarten hatte ich keine Lust. Problematisch wäre auch der Einsatz in der Grundschule gewesen. Ich war in der Schule Sankt Martinus, die aber für das Praktikum keine ehemaligen Schüler aufnimmt, weil dort davon ausgegangen wird, dass fremden Schülern der Rollenwechsel leichter fällt. Ich habe mich dann für das Altenheim entschieden, das ist etwas komplett Neues für mich.

War das die richtige Wahl?
Brammer: Ja. Es macht sehr viel Spaß, mit älteren Leuten Zeit zu verbringen.

Hatten Sie das erwartet?
Brammer: Ich dachte, die Arbeit wäre körperlich anstrengender als Schule. Wir Praktikanten machen auch hauswirtschaftliche Arbeiten. Hier tun mir nach einem Arbeitstag die Füße weh, nach einem langen Schultag bin ich auch müde, da ist es dann aber der Kopf.

War Hausarbeit neu für Sie?
Brammer: Ich helfe zu Hause viel im Haushalt, sauge Staub, mähe den Rasen, renoviere auch mein Zimmer. Manchmal habe ich keine Lust dazu, aber meine Eltern arbeiten viel, ich möchte sie unterstützen.

Welche Aufgaben haben Sie im Seniorenstift?
Brammer: Mit mir zusammen macht Elisa vom Gymnasium Nonnenwerth ein Praktikum. Wir verteilen Frühstück und Mittagessen. Wir reichen es den Pflegebedürftigeren auch an oder schneiden das Fleisch klein. Am Nachmittag bringen wir Kaffee und bereiten den Wagen fürs Abendessen vor. Wasser muss auf die Zimmer gebracht werden. Beim Bettenmachen sind wir im Einsatz, dann bringen wir die Wäsche in die Wäscherei. Die Senioren freuen sich. Es ist schön, wenn sie sagen: „Oh, frisch bezogen, da werde ich gut schlafen.“ Die Leute sind glücklich, das freut mich. Der Zeitplan ist recht eng, aber für ein kleines Gespräch ist Gelegenheit. Zwischendurch unternehmen wir auch kleine Spaziergänge mit den Senioren, säubern die Rollatoren.

Kostet das auch Überwindung?
Brammer: Am Anfang war es ein komisches Gefühl. Aber wenn man es einmal gemacht hat, ist es normal. Die Bewohner nehmen die Hilfe gern an.

Ist auch Gelegenheit für Zeitvertreib?
Brammer: Ja, dann setzen wir uns mit den Senioren in den Tagesraum und spielen Mensch-ärgere-dich-nicht. Oder die Leute erzählen etwas von früher, über ihren Beruf oder über frühere Reisen. Einige leben auch in einer anderen Welt. Andere können gar nicht mehr sprechen.

Ist das mitunter traurig oder langweilig für einen jungen Menschen?
Brammer: Ich finde es interessant. Die Leute haben niemanden zum Reden. Ich bin da und höre einfach zu. Manche fangen an zu weinen, wenn sie über verstorbene Angehörige sprechen. Das ist anrührend.

Sie lernen etwas fürs Leben bei diesem Praktikum?
Brammer: Ja, es gibt auch ein gutes Gefühl. Man macht andere Leute glücklich und geht selbst fröhlich hier raus. Jeder wird mal alt. Das gehört dazu. Auf menschlicher Ebene lernt man viel – geduldig mit anderen umzugehen, auch wenn einem selbst gar nicht danach ist. Im Kindergarten müsste ich Kinder erziehen, sie zurechtweisen, hier im Altenheim ist mehr Empathie erforderlich, hier muss ich mich anpassen, Feingefühl entwickeln.

Sie haben Ihre Wahl nicht bereut?
Brammer: Nein, es ist eine positive Erfahrung. Ich würde es gern noch mal machen.

Wäre das eine berufliche Perspektive?
Brammer: Nein, ich möchte Pilot bei der Bundeswehr werden.

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