Kritik von Hausärzten Honnefer Ärzte beklagen mangelnde Schutzausrüstung

Bad Honnef · Mediziner schlagen Alarm: Hausarztpraxen werden nicht ausreichend unterstützt. Es fehlt vor allem an Desinfektionsmitteln und Schutzkleidung. Eine private Initiative in Bad Honnef hat Hilfsaktionen gestartet.

 Mangelnde Unterstützung der Hausärzte in der Pandemie kritisiert der Bad Honnefer Arzt und Medizinprofessor Klaus Weckbecker.

Mangelnde Unterstützung der Hausärzte in der Pandemie kritisiert der Bad Honnefer Arzt und Medizinprofessor Klaus Weckbecker.

Foto: Oschmann

„Wir leben vom Bestand.“ Professor Klaus Weckbecker, Facharzt für Allgemeinmedizin in Bad Honnef in Gemeinschaftspraxis mit seinem Kollegen Rolf Straub, teilt zurzeit ein Problem mit seinen Hausarztkollegen: Der Nachschub an Schutzausrüstung fehlt. „Unsere Lieferanten können nicht liefern.“

Auch von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die Lieferungen angekündigt hatte, ist noch nichts bei Weckbecker und seinen Honnefer Kollegen eingetroffen. „Wir erhalten weder Unterstützung von der KV, noch vom Kreis oder der Stadt.“

Bündnis Familie treibt fehlende Ausrüstung auf

Hilfe versucht die Bad Honneferin Laura Solzbacher auf private Initiative zu organisieren. Sie sei an die Ärzte herangetreten, berichtet Weckbecker. „Für ein, zwei Wochen wird das Material helfen.“

Solzbacher, Vorsitzende vom Bündnis Familie Bad Honnef, hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Masken und Desinfektionsmittel aufzutreiben. „Wir haben in den letzten Tagen 210 FFP 3-Masken, 40 Liter Handdesinfektions- und 30 Liter Flächendesinfektionsmittel an 18 Honnefer Praxen verteilt“, berichtet sie. Solzbacher hatte von befreundeten Ärzten von der fatalen Situation erfahren. „Irgendwer muss sich doch kümmern“, sagt die vierfache Mutter.

FFP3-Masken von Landwirten

Sie hat Ebay-Kleinanzeigen durchforstet. „Ein Rinderhändler aus dem Norden hat bei seinen Bauernfreunden herumtelefoniert und die FFP3-Masken, klassische Bauarbeitermasken, zusammengetragen, die von den Landwirten bei verschiedenen Arbeiten getragen werden. Sie filtern die Außenluft, der Träger ist geschützt.“

Darüber hinaus erhielt sie vom Haus Rheinfrieden in Rhöndorf, das den Internatsbetrieb einstellen musste, den Bestand an Desinfektionsmitteln und Handschuhen. Sie kaufte Schulen und Kindergärten die Bestände ab. Selbst Bordelle hat sie wegen Desinfektionsmitteln kontaktiert.

Für die Honnefer Ärzte ein Segen. Denn wenn ein mutmaßlich angesteckter Patient in die Praxis kommt, werden Schutzbrille, spezielle Schutzmaske und Schutzkittel nötig. Weckbecker kann sich nur wundern: „Im Fernsehen wird darüber diskutiert, ob die Bundesliga spielt – wir brauchen Masken. Die Lieferanten sind blank. Von Anfang an war sofort alles weg. Ob die 10 000 Atemgeräte kommen ... seit Beginn der Epidemie haben wir nichts erhalten. Angeblich ist so viel bestellt, ich hoffe, dass es auch kommt.“

Nicht genug auf die Pandemie vorbereitet

Der Mediziner schlägt Alarm. „In dieser Zeit zeigt sich, dass wir eine gute hausärztliche Versorgung und ein gutes öffentliches Gesundheitswesen benötigen. Es gibt kein gut funktionierendes Gesundheitssystem ohne Hausärzte. Hierher kommen die Betroffenen zuerst, die gehen nicht direkt zum Lungenfacharzt.“

Weckbecker ist Professor an der Bonner Universität, wo er selbst ab 1988 Humanmedizin studiert hatte. Er erhielt den ersten Lehrstuhl am 2011 neu gegründeten Institut für Hausarztmedizin. „Es zeigt sich, dass wir nicht genug auf eine solche Pandemie vorbereitet waren.“

Sein Standpunkt: „Die Hausärzte tragen das jetzt. Wir brauchen eine starke hausärztliche Versorgung, das haben wir vernachlässigt.“ Leidtragende seien die Mitarbeiter der Hausärzte und die Krankenhäuser. „Ich würde meinen Mitarbeitern jetzt gerne Gefahrenzulage zahlen“, sagt Weckbecker.

Eine Woche lang hatte er die Praxis schließen müssen, nachdem eine Mitarbeiterin sich infiziert hatte. „Ihr geht es gut. Wir sind mehrfach geprüft worden. Es ist alles in Ordnung.“ Mittlerweile arbeitet seine Praxis in zwei getrennten Teams, sodass bei einer Ansteckung nur eine Gruppe in Quarantäne müsste. Das ist ein erhöhter Aufwand. Alle aufschiebbaren Behandlungen werden verschoben. Die Abläufe sind langsamer. „Für ganz kleine Praxen ist das nicht machbar.“

Lagerbestände in Deutschland zu gering

Auch finanziell sei die Epidemie für die Hausärzte problematisch. „Wir haben weniger Patienten. Die Schutzausrüstung ist teurer als das, was wir für den Patienten bekommen. In der Förderung stehen wir Hausärzte an letzter Stelle. Aber wenn das Haus brennt, dann sind die Hausärzte gefordert. Nein, wir sind nicht gut vorbereitet“, kritisiert Klaus Weckbecker.

Ein Problem sei auch, dass in Deutschland die Lagerbestände gering sind. „Das muss auch besprochen werden.“ Empfohlen werde die Pneumokokken-Impfung. „Aber der Stoff ist weg. Auf eine zweite Welle im Herbst müssen wir vorbereitet sein. Leute wie Asthmatiker müssen wir impfen. Wir kommen in die Phase, in der der Schutz der Hauptrisikogruppe wichtig ist. Wir müssen verhindern, dass sich das Virus in der Bevölkerungsgruppe der Alten verbreitet.“ Aber er warnt: „Das Risiko für die Jüngeren ist nicht null.“

Der Rhein-Sieg-Kreis ist ein stark betroffenes Gebiet. „Jeder infiziert drei weitere; nach zehn Übertragungen haben wir 60 000 Infizierte. Diese Rate müssen wir unter eins bringen. Es gibt Länder, die es geschafft haben, die Rate um zwei Drittel zu senken“, sagt Klaus Weckbecker. Er appelliert: „Keine Panik haben, aber wo Risiken sind, diese mindern.“

Laura Solzbacher besorgt derweil weiter Hilfsmittel. Von einem großen Anbieter hat sie drei Kanister mit je zehn Litern Desinfektionsmittel in Aussicht. „Der Kanister kostet 185 Euro, normalerweise 20 Euro“, berichtet sie. Das Bündnis für Familie sei in Vorkasse gegangen.

Und sie habe eine Spendenaktion gestartet: Das Aalkönigskomitee hat 1000 Euro bereitgestellt, die Honnefer Lions haben Mittel zugesagt. Auch Ärzte spenden. „Mein Spendenaufruf geht jetzt an die Bevölkerung. Möglicherweise hat jemand Desinfektionsmittel und originalverpackte Masken.“ Vielleicht könne jemand etwas abgeben, „damit zumindest bei uns in der Stadt keine Praxis schließen muss“.

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