Interview mit AG-Sprecherin Heike Merten über den Rechtsanspruch und fehlende Kindergartenplätze

BAD HONNEF · Zum 1. August fehlen in Bad Honnef sicher 100 Kindergartenplätze - Plätze, auf die Kinder, die bis dahin das erste Lebensjahr vollendet haben, einen Rechtanspruch haben. Seit Monaten drängen der Jugendhilfeausschuss und die AG 78 Kindertageseinrichtungen, in der alle Träger in Bad Honnef vertreten sind, auf Lösungen. Mit AG-Sprecherin Heike Merten sprachen Katrin Janßen und Claudia Sülzen.

Im Jugendhilfeausschuss war von 144 fehlenden Plätzen die Rede. Was glauben Sie: Wie viele Kinder stehen am 1. August tatsächlich auf der Straße?
Heike Merten: Durch Überbelegungen ist die Zahl etwas zurückgegangen, etwa 45 zusätzliche Plätze wurden in den 14 Honnefer Kindertageseinrichtungen zusammen genommen geschaffen.

Das bedeutet für die Statistik?
Merten: Per Stichtag 20. Februar fehlten laut Jugendhilfeplaner 109 Plätze, davon 56 U 3 und 53 Ü 3. In der AG schätzen wir, dass davon für etwa 60 Kinder auch der Rechtanspruch angemeldet werden wird. Das heißt: Sie brauchen die Plätze.

Eine Dauerlösung sind Überbelegungen nicht?
Merten: Keineswegs, spätestens zum folgenden Kindergartenjahr müssen sie wieder abgebaut werden. Es geht allen Trägern um qualitätsvolle frühkindliche Förderung. Die darf nicht auf der Strecke bleiben. Aber über Qualität wird an anderen Stellen schon gar nicht mehr gesprochen. Leider.

Das klingt nach Frust?
Merten: Die Träger sind schon frustriert und irgendwie auch erbost. Die Fachleute im Jugendamt wie der Jugendhilfeplaner und die Träger tun alles, um zu helfen, man arbeitet sehr gut zusammen. Aber die Verwaltungsspitze setzt es nicht um. Nehmen Sie die "Villa Kunterbunt": Drei weitere Gruppen sind beantragt, das wären 55 Plätze dort, wo der Bedarf ist: im Honnefer Tal.

Dazu müsste die Berufsbildende Schule des Kreises ausziehen. Der Kreis wäre dazu auch bereit, aber er braucht andere Räume in Honnef. Wir alle wollen doch, dass die Schule hier bleibt. Aber es müssten doch Räume zu finden sein - wenn man offensiver an die Sache herangeht.

Stattdessen wartet etwa der Träger der Villa Kunterbunt trotz mehrfacher Nachfrage bei der Bürgermeisterin vergebens auf einen Termin, und auch mit den anderen Trägern spricht die Verwaltungsspitze nicht. Und in der AG fehlte sie wieder komplett. Die Träger tun alle ihr Möglichstes, aber ihnen sind die Hände gebunden, wenn etwa Planungs- oder Bauvoraussetzungen geschaffen werden müssen.

Was dürfte überhaupt noch umsetzbar sein zum 1. August?
Merten: Grundsätzlich gilt, dass Träger neue Gruppen bis 15. März beantragen mussten. Die "Villa Kunterbunt" hat dies für ihre drei Gruppen getan. Realistisch ist zurzeit aber nur die Schaffung einer Gruppe "Unterm Regenbogen" in einer Containerlösung. Das sind 20 Plätze. Nebenbei gesagt: Auch diese Kita ist schon überbelegt. Alle anderen Lösungen wie die Erweiterung der "Nachtigall", der "Wolkenburg" und wahrscheinlich auch der "Villa Kunterbunt" kommen frühestens 2014 zum Tragen. Ich glaube nicht, dass es früher geht. Die Zeit ist einfach zu knapp.

Zum Rechtsanspruch: Eine Anmeldung im Kindergarten reicht nicht aus, diesen anzumelden?
Merten: Nein. Den Rechtsanspruch erfüllen muss der Träger der freien Jugendhilfe. Das ist die Stadt. Das heißt, dass die Eltern sich beim Jugendamt melden müssen. Und das spätestens drei Monate, bevor der Rechtsanspruch gültig wird. Für Kinder, die das erste Lebensjahr bis zum 1. August vollendet haben, bedeutet das: Der Rechtanspruch muss bis 1. Mai angemeldet werden. Heute ist also die letzte Gelegenheit. Ein entsprechender Brief an die Eltern, die sich in den Kitas gemeldet haben, ist darum von den Trägern unterwegs. Aber alle betroffenen Eltern werden damit sicher nicht erreicht.

Droht Honnef eine Klagewelle?
Merten: Das ist natürlich Spekulation. Ich gehe schon davon aus, dass es in Bad Honnef Eltern gibt, die bereit sind, den Klageweg zu beschreiten, so sie den Rechtsanspruch rechtzeitig angemeldet haben. Ärgerlich ist in jedem Fall: Geld, das in Schadensersatz fließt, ist verlorenes Geld, es fehlt wieder an anderer Stelle. Beispiel: Die Kinder, die jetzt in den Kindergarten gehen, gehen irgendwann in die OGS. Und auch da sieht es in Honnef ja mehr als dürftig aus.

Das könnte die Stadt viel Geld kosten?
Merten: Der Rechtsanspruch besteht bedarfsunabhängig, das sagt das Gesetz ganz klar. Das Argument, der Anspruch sei nur einklagbar und damit auch Schadensersatz möglich, wenn man arbeitet, trifft schlicht und ergreifend nicht zu. Der Anspruch auf eine Regelversorgung besteht immer, sobald ein Kind ein Jahr oder älter ist. Lediglich die Frage, wie viele Stunden Betreuung ich letztlich brauche, unterliegt der Einzelfallprüfung. Das wäre dann jeweils auch nachzuweisen.

Zur Person

Die zweifache Mutter Heike Merten (46) engagierte sich bis zum Eintritt ihrer Kinder in die Grundschule im Vorstand der Elterninitiative "Villa Kunterbunt". Sie ist Sprecherin der "AG 78 Kindertageseinrichtungen", in der alle Träger von Kindertageseinrichtungen in Bad Honnef vertreten sind. Die promovierte Juristin ist Geschäftsführerin des Institutes für deutsches und internationales Parteienrecht und Parteienforschung der Heinrich Heine-Universität in Düsseldorf.

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