Interview mit Franz Hucklenbruch von Casa Alianza Bad Honnef Für Isabels „Gracias“ hat es sich schon gelohnt

BAD HONNEF · Er ist der „Mister Guatemala“. Vor 25 Jahren gründete Franz Hucklenbruch die Casa Alianza Kinderhilfe Guatemala. Zur ersten Jahresversammlung im Ratssaal kamen mehr als 70 Menschen aus ganz Deutschland nach Bad Honnef.

 Seit 25 Jahren engagiert für Straßenkinder in Guatemala: Franz Hucklenbruch.

Seit 25 Jahren engagiert für Straßenkinder in Guatemala: Franz Hucklenbruch.

Foto: Frank Homann

Mit Franz Hucklenbruch, dem früheren Studienrat, der von Anfang an Vorsitzender des Vereins war, mittlerweile in einem gleichberechtigten Führungsteam, sprach zum Jubiläum über Hilfsbereitschaft und die Not in Guatemala.

Wann werden Sie die Geburtstagstorte anschneiden?

Franz Hucklenbruch: Gar nicht. Wenn unser Verein überflüssig wäre, dann hätten wir einen Grund zum Feiern. Aber der Bedarf an Hilfe und finanziellen Mitteln ist bis heute riesig – und größer geworden.

Hucklenbruch: Es gelingt im kleinen Maßstab, die Welt zu verbessern. Es funktioniert, einen kleinen Schirm aufzuspannen; der reicht nicht für alle, aber deshalb werden wir ihn nicht zuklappen.

Hucklenbruch: Unsere gemeinnützige Kinderhilfsorganisation engagiert sich für den Schutz und die Wiedereingliederung der Straßenkinder in Guatemala. Wir tragen die Lebenshaltungs- und Betreuungskosten ehemaliger Straßenkinder und arbeiten mit Refugio de la Ninez und La Alianza zusammen; diese beiden Organisationen bieten missbrauchten Jugendlichen praktischen Schutz vor weiterer sexueller Gewalt und organisiertem Menschenhandel. Beide stellen Wohnraum zur Verfügung, der eine sichere Zuflucht darstellt, sie arbeiten aber auch an der Verbesserung der Gesetzeslage.

Hucklenbruch: Die Idee war: Lehrer verdienen gut und könnten einige Tausend Mark zusammenbringen, um ein Projekt zu finanzieren. Es war von einem kleinen Betrag die Rede. Aber wir Gründer – einige Lehrer von Unesco-Schulen, Mitglieder von Amnesty International – wurden von einer Art Lawine erwischt. Das Spendenaufkommen wuchs rasant an, die Medien stiegen ein. Straßenkinder waren zu der Zeit noch kein Thema. Bruce Harris, der Lateinamerikadirektor der Kinderhilfsorganisation Casa Alianza, kam 1991 nach Deutschland, wir wurden von der damaligen Bundesjugendministerin Angela Merkel empfangen, die die Schirmherrschaft übernahm, die bis heute von den jeweiligen Amtsnachfolgerinnen getragen wird. Das Projekt wurde zum Selbstläufer. Wer auf dem Tiger reitet, kann nicht herunter. Die Resonanz war riesig.

Hucklenbruch: Die ganze Stadt war mobilisiert. Das Sibi hat einen Spendenlauf gemacht. Sabrina Stang war damals Schülerin und organisierte das. Die Pfarrer Franz Lurz und Uwe Löttgen-Tangermann liefen nebeneinander mit. Fast alle Honnefer Geschäftsleute waren Sponsoren.

Hucklenbruch: Die Aktivitäten wie in den 90er Jahren machen wir nicht mehr, als wir meinten, die Milchstraße muss zu Butter gequirlt werden. Aber es ist noch immer toll, wie sich junge Leute einsetzen. Ich treffe sie in Hamburg, Trier, Weimar, Bonn, gerade erst in Herrenberg. Wir haben 350 Mitglieder. Die Adressenliste ist kürzer geworden. Das Spendenaufkommen ist gesunken, aber immer noch hinreichend, um unsere Programmzusagen erfüllen zu können. Nicht zu vergessen ist die Unterstützung durch die Aktion Weltkinderhilfe Bad Honnef, die uns pro Jahr mit 15 000 bis 25 000 Euro unterstützt. Das macht stabil.

Hucklenbruch: Wir haben in den 25 Jahren insgesamt 3,4 Millionen Euro nach Guatemala überwiesen.

Hucklenbruch: Ja, aber wir bekamen Solidaritätsbekundungen ohne Ende. Da rief zum Beispiel eine alte Dame aus der Eifel an und verdoppelte ihre Spende von 35 Euro auf 70. Da meldete sich ein anderer und fragte, ob uns mit 10 000 Euro erst einmal geholfen wäre. Ich bin bis heute verblüfft darüber. Mit Refugio de la Ninez, das nach dem Finanzcrash von einem ehemaligen Casa-Alianza-Mitarbeiter gegründet wurde, und mit La Alianza – unter diesem Begriff ist Covenant House in Guatemala zurück – haben wir zwei gute Organisationen an unserer Seite.

Hucklenbruch: Guatemala ist kein Rechtsstaat. Opfer sind schutzlos, die Mordrate ist höher als in Bagdad, die juristische Aufarbeitung tendiert gegen Null. Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung sind an der Tagesordnung. In unseren Einrichtungen bekommen Minderjährige eine Lebensperspektive, medizinische und psychologische Betreuung, es erfolgt eine juristische Aufarbeitung. Was sich positiv verändert hat: die Zusammenarbeit mit den Behörden. Früher waren Kinderhilfsorganisationen Feindbilder. Jetzt schicken Behörden Kinder zu den Organisationen, die auch über 1000 Polizisten schulten.

Hucklenbruch: 3,4 Millionen in 25 Jahren – das macht Ronaldo in drei Monaten. Das ist Perversion, die Verteilung der Güter dieser Erde ist einfach nur verwerflich. Als ich zum ersten Mal nach Guatemala kam, glaubte ich, in ein Land zu reisen, in dem nichts wächst. Das Gegenteil ist der Fall. Wo kommt die Armut her? Wirtschaftsunternehmen saugen das Land aus. Wir laborieren an Schäden herum, die andere angerichtet haben.

Hucklenbruch: Mich wundert es, dass ich fröhlich sein kann. Ich war früher Optimist und sehe die Welt mittlerweile negativ. Die Casa Alianza hat meinen Blick geschärft. Es waren sehr ereignisreiche Jahre. Aber ich denke an die elfjährige Isabel, die mich bei meinem Besuch in Guatemala umarmte und „Gracias“ sagte. Dafür hat es sich gelohnt.

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