Fall Anna: Oberstaatsanwalt will Mord nicht ausschließen

Bonn/Bad Honnef · Die Bonner Staatsanwaltschaft will im Falle des getöteten Pflegekindes Anna Mord nicht ausschließen. Sie hat erneut einen Antrag an das Landgericht gestellt, bei der Neuaufnahme des Verfahrens im Mai auf diese Möglichkeit hinzuweisen - das ist die Voraussetzung dafür, dass die Pflegeeltern wegen Mordes verurteilt werden können.

Zunächst waren die Pflegeeltern der neunjährigen Anna, die in der Badewanne gewaltsam zu Tode kam, wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Im Laufe des Verfahrens stellte sich jedoch heraus, dass Anna mindestens drei Minuten unter Wasser war.

Daraufhin stellte Oberstaatsanwalt Robin Faßbender den Antrag, die Angeklagten darauf hinzuweisen, dass sie auch wegen Mordes oder Totschlags verurteilt werden könnten. Im Falle der Pflegemutter zog die Kammer daraufhin Totschlag ins Kalkül, bei ihrem Ehemann blieb sie bei Körperverletzung mit Todesfolge. Der Anwalt der Pflegemutter stellte wegen des neuen Vorwurfs einen Aussetzungsantrag. Der Prozess wird deshalb im Mai neu aufgerollt.

In seinem neuen Antrag an das Landgericht, so Oberstaatsanwalt Faßbender, sei er auf die Gegenargumente des Bonner Schwurgerichts zu seinem ersten Antrag eingegangen. "Die Kammer hat die Verdachtsschwelle meines Erachtens sehr, sehr hoch angelegt", sagte Faßbender am Donnerstag. Der Oberstaatsanwalt geht in seinem Antrag auf vier Mordmerkmale ein.

  • Niedrige Beweggründe: Die Kammer sprach von Überforderung der Pflegeeltern, die Staatsanwaltschaft sieht eine solche nicht: Es habe keine ernsthaften Probleme gegeben. Wasserphobie, Essstörungen und Selbstverletzungen, die die Pflegemutter Anna zugeschrieben habe, hätten sich nicht bestätigt. Die Pflegeeltern seien einfach nicht mit Anna zurechtgekommen, hätten jedoch jederzeit den Pflegevertrag kündigen können.
  • Heimtücke: Zwar habe Anna damit gerechnet, dass sie unter Wasser gedrückt wird. Sie sei aber davon ausgegangen, dass sie - wie in den Fällen zuvor - wieder losgelassen wird. Hätte sie mit einer Tötungsabsicht gerechnet, hätte sie sich vielleicht ganz anders gewehrt, so Faßbender.
  • Grausamkeit: Sie könne gegeben sein, wenn dem Ertränken weitere Misshandlungen vorausgegangen sind.
  • Verdeckungsabsicht: Die Staatsanwaltschaft zweifelt an, dass Anna am Tag vor ihrem Tod vom Balkon sprang und sich dabei verletzt hat. Die Balkonpflanzen seien nicht abgeknickt gewesen. Es sei möglich, dass Anna derart schwer misshandelt wurde, dass die Pflegeeltern fürchten mussten, dass sie sich nun doch einem Erwachsenen anvertrauen würde.

Auch beim Pflegevater müsse ein Urteil wegen Mordes in Erwägung gezogen werden, so Faßbender. Schließlich könne sich seine Frau im neuen Prozess doch noch äußern und sich die Lage dann anders darstellen: "Ich möchte nicht noch einen Aussetzungsantrag riskieren." Joachim Klages, Sprecher des Landgerichts, bestätigte am Donnerstag den Eingang des Antrags: "Die Kammer wird darüber in ihrer Unabhängigkeit zu befinden haben."

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