"Fingerbillard" Europas beste Carrom-Spieler messen sich in Bad Honnef

Bad Honnef · "Fingerbillard" wird das in Asien beliebte Spiel Carrom auch genannt. Am Freitag beginnt der Eurocup in der Jugendherberge in Selhof. 140 Teilnehmer schnipsen dann um den Titel.

La Colle-sur-Loup an der Côte d'Azur nahe Nizza, San Michele all'Adige im italienischen Alpental Etschtal und nun Bad Honnef: Die Siebengebirgsstadt reiht sich ein in eine illustre Reihe von Austragungsorten des Carrom-Eurocups. Von Freitag bis Sonntag, 2. bis 4. August, schnipsen in der Jugendherberge rund 140 Spieler um den Titel.

Während Carrom in Ländern wie Indien, Pakistan und Bangladesch als Volkssport weit verbreitet ist, gibt es in Deutschland gerade einmal 13 Vereine und einige Hundert Spieler, weiß Dirk Polchow, Präsident des Deutschen Carrom-Verbandes. Aufgrund seiner Ähnlichkeit wird Carrom oftmals als Fingerbillard bezeichnet. „Es hat schon den Charakter von Billard“, gibt Polchow zu, findet aber zugleich: „Der Begriff hat doch etwas Abschätziges.“

Der Mix aus Geschicklichkeit, Konzentration und Übung ist es, der den in Bonn lebenden Verbandspräsidenten seit den 1990er Jahren an dem Spiel so fasziniert. „Wenn Grundlagen da sind, gewinnt es an Tiefe“, sagt der Verbandspräsident. Dazu gehören nicht nur taktische, sondern auch technische Finessen. „Es gibt schon Trickshots, letztlich ist es aber nur Physik“, sagt Polchow und versenkt einen Stein auf dem eigenen Board.

14 Stunden Training am Tag

Mit Johannes Jörg vom Verein Carrom Freunde Köln (CFK) trainiert er an diesem Abend. Vor dem Turnier haben sie bereits ein Trainingslager organisiert und bis zu 14 Stunden pro Tag gespielt. „Das braucht man“, sagt Polchow mit Blick auf den Eurocup, wo sie ebenfalls die kompletten Tage gefordert sein werden. „Nur einmal die Woche zu trainieren, reicht definitiv nicht“, bestätigt Jörg.

Beim Turnier treffen die beiden auf einige bekannte Teilnehmer aus anderen Ländern. „Wir haben schon viele Leute kennengelernt und sind viel gereist, nicht nur innerhalb Europas“, sagt Jörg und erinnert sich an Turniere in Indien, Sri Lanka oder auf den Malediven. Nach einem Turnier in Neu Delhi hatte er einen Urlaub angeschlossen und die heimischen Spieler in ihren Städten besucht. „Dieses Interkulturelle hat etwas Verbindendes“, sagt Polchow und ergänzt mit Blick auf die anstehende Europameisterschaft: „Es ist gelebtes Europa.“

So richtig fassen lässt sich diese „Community“, wie Polchow sie nennt, aber nicht. „Den typischen Carrom-Spieler gibt es nicht“, findet Jörg. Die Altersspanne ist groß: Der jüngste Spieler in Bad Honnef ist erst acht Jahre alt, der älteste 86. Der Großteil ist männlich. Wer sich selbst ein Bild davon machen will, kann von Freitag bis Sonntag in die Jugendherberge kommen. Polchow: „Es ist offen für alle.“

Jugendherberge ist der ideale Austragungsort

Doch warum findet das Turnier ausgerechnet in Bad Honnef statt? Mit einigen Vertretern aus dem Köln-Bonner Raum haben sie nach einer Location in der Region gesucht, erzählt Polchow. So kamen sie schließlich auf Bad Honnef und die Einrichtung an der Selhofer Straße. „Es gibt viele Räume, die Stadt ist gut an die Autobahn und den Flughafen angeschlossen, es gibt einen schönen Außenbereich“, zählt Polchow auf.

Für die Organisatoren gab es viel zu tun, seit seit drei Jahren klar ist, dass der Eurocup nach Deutschland kommt: Einen Spielort organisieren, die Internetseite aufbauen, T-Shirts drucken, Pokale bestellen, das Anmeldeverfahren begleiten – „da hängt vieles dran“, sagt Polchow, der die Vorbereitungszeit auf 200 bis 300 Stunden schätzt.

Kurz vor dem Turnier steht ebenfalls noch einiges an. Am Mittwoch sollen die insgesamt 70 Boards an den Spielort geschafft werden. Unterstützung bekämen sie vom tschechischen Verband, der einige Bretter zur Verfügung stellt, sagt Polchow. Dies hatte Deutschland beim Eurocup in Prag vor drei Jahren ebenfalls gemacht. Damals hat das deutsche Team das Turnier gewonnen. Dies ist auch an diesem Wochenende das Ziel. „Wir sind hochmotiviert, den Titel zu holen“, sagt Jörg und schnipst den Stein ins Netz.

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