Psychosoziale Arbeitskreis in Bad Honnef Eine Brücke ins normale Leben

BAD HONNEF · Das Bild aus der Seefahrt bringt Maria Seifert, 41 Jahre, Name geändert, ins Spiel: "Wir sitzen alle im selben Boot. Das verbindet." Seit neun Jahren besucht sie den Psychosozialen Arbeitskreis Bad Honnef. Seit ihrem krankheitsbedingten Ausscheiden aus dem Beruf und der Frührente verschafft er ihr ein für sie wesentliches Lebenselixier: Struktur.

 Viele psychisch Kranke sind isoliert. Der Psychosoziale Arbeitskreis schafft mit seiner Arbeit Abhilfe.

Viele psychisch Kranke sind isoliert. Der Psychosoziale Arbeitskreis schafft mit seiner Arbeit Abhilfe.

Foto: dpa

Ohne die Arbeit war sie weggebrochen, die regelmäßigen Treffen mit Gleichgesinnten geben ihr bis heute einen festen Halt. "Ich bin dadurch ruhiger geworden. Klar gibt es immer noch Höhen und Tiefen, aber ich komme gut mit ihnen zurecht."

Vor 25 Jahren ist der Psychosoziale Arbeitskreis mit Sitz an der Luisenstraße gegründet worden, um Betroffenen eine Brücke ins normale Leben zu ermöglichen. Von Beginn an legte Christa Weinig-Fröhlich mit Mitstreitern den Grundstein; heute leitet sie den Arbeitskreis in Teilzeit. "Damals entsprachen solche Anlaufstationen dem Zeitgeist nach den Psychiatriereformen in den 70er und 80er Jahren."

Psychisch Kranke sollten nach Möglichkeit, so war es politischer Wille, nicht mehr überwiegend stationär in Psychiatrien versorgt werden. Die Zahl der Betten wurde entsprechend reduziert. Kranke sollten ihr eigenes Leben inmitten der Gesellschaft leben.

Rund ein Dutzend Ehrenamtliche wollten sie in Bad Honnef durch regelmäßige Zusammentreffen dabei unterstützen und als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, wenn Probleme auftauchen. Andere dezentrale Anlaufstationen existierten noch nicht.

In den 90er Jahren gab es neben den Kliniken keine ausgeprägten ambulanten Dienstleister, die psychisch Kranken die nötige Hilfe leisteten. "Insofern war es Pionierarbeit für den Rhein-Sieg-Kreis", sagt Sozialwissenschaftlerin Christa Weinig-Fröhlich.

Was mit einem offenen Treffen anfing, weitete sich mit den Jahrzehnten zu einem umfangreichen Angebot aus. Heute kommen in den Vereinsräumen auf der Luisenstraße neben der evangelischen Kirche regelmäßig drei Selbsthilfegruppen zusammen.

1992 startete auch die erste Angehörigengruppe. Einige der Helfer sind allerdings in die Jahre gekommen, und die Leiterin würde sich über weitere Ehrenamtliche freuen, vor allem für den Mittwochnachmittag.

Zurzeit treiben rund ein Dutzend Ehrenamtliche die Bürgerhilfe an. Aus der Sicht der Leiterin ist es mehr als eine Unterstützung. "In nicht wenigen Fällen entsteht so etwas wie Freundschaft." Und manchmal verabredeten sich die Besucher auch außerhalb der Luisenstraße daheim oder gehen gemeinsam ins Kino.

Einer der Arbeitskreisteilnehmer hatte im Februar dieses Jahres bei einem Brand seine beiden Wellensittiche verloren (der General-Anzeiger berichtete). Vor wenigen Wochen hat er gemeinsam mit einem der Ehrenamtlichen zwei neue Vögelchen ausgesucht.

Er begleitet regelmäßig eine depressive Freundin aus dem Arbeitskreis mit dem Bus, wenn sie nach Königswinter zurück muss. Weinig-Fröhlich: "Sie braucht den Kontakt zu Menschen, wie wir ihn fast alle brauchen."

Der Psychosoziale Arbeitskreis sitzt in der Luisenstraße 13 und ist unter Tel. 0 22 24/7 68 22 oder per E-Mail an weinigfroehlich-psak@t-online.de erreichbar. Auch ehrenamtliche Helfer können sich bei ihr melden.

KURZ GEFRAGT

Die Sozialwissenschaftlerin Christa Weinig-Fröhlich hat den Psychosozialen Arbeitskreis mitgegründet und leitet ihn heute. Im Ruhrgebiet, wo sie herkommt, hatte sie sich mit den Folgen der Psychiatriereform bereits intensiv befasst. Philipp Königs sprach mit ihr.

Frau Weinig-Fröhlich, wer hatte die ausschlaggebende Idee für den Arbeitskreis?

Christa Weinig-Fröhlich: Der in Bad Honnef ansässige Neurologe Martin Silberhorn hatte die soziale Bewegung aufgegriffen. Es gab ja noch nichts, keinerlei Infrastruktur. Wir mussten zunächst einen Raum organisieren, um regelmäßige Treffen stattfinden lassen zu können. Die evangelische Gemeinde hat da von Anfang an Hilfe signalisiert.

Wie viele von den Anfangshelfern sind noch aktiv?

Weinig-Fröhlich: Zum ersten Treffen kamen damals etwa ein Dutzend, davon sind vielleicht fünf oder sechs noch dabei. Aber einige haben ein Alter erreicht, in dem sie nicht mehr alles mitmachen können. Sie können die Teilnehmer nicht mehr außerhalb der Treffen begleiten, wie sie es früher getan haben. Deshalb wären wir froh über weitere Helfer.

Muss man spezielle Fähigkeiten mitbringen, um bei Ihnen helfen zu können?

Weinig-Fröhlich: Interesse an den Menschen halte ich für selbstverständlich. Sie wollen genauso respektiert werden wie jeder andere. Darüber hinaus braucht es keine besonderen Fähigkeiten außer etwas Einfühlungsvermögen und Sensibilität.

Hat sich das Bild psychisch Kranker über die Jahre gewandelt?

Weinig-Fröhlich: Ich denke, ja. Es gibt weniger Vorbehalte. Man muss aber weiter im Gespräch bleiben, um Stigmatisierungen, die es immer noch gibt, entgegenzuwirken und die Betroffenen nicht zu isolieren.

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