Lesung in Rhöndorf Die wahre Geschichte der schönen Mila

Bad Honnef · Catrin Möderler liest am Sonntag in Rhöndorf aus ihrem Buch "Mila Röder - ein bühnenreifes Leben". Das Buch dreht sich um die Legende der schönen Mila, die zu Herzen berührte.

Lesung in Rhöndorf: Die wahre Geschichte der schönen Mila
Foto: Frank Homann

Das Geheimnis um Mila Röder ist gelöst. Catrin Möderler räumt mit einigen der skurrilen Anekdoten auf, die sich bisher um jene Operndiva ranken, die im Mausoleum auf dem Alten Friedhof In Bad Honnef ruht. Ihr Buch "Mila Röder - ein bühnenreifes Leben" beschreibt deren wahre Geschichte.

Bisher war sie ein Mythos. Die Legende um die schöne Mila, die am 31. Mai 1887 angeblich kurz vor der Hochzeit mit einem italienischen Grafen starb, berührte die Herzen. Heimatdichter Franzjosef Schneider widmete ihr eine märchenhafte Story. Der Zufall und intensive Recherche brachten nun Licht ins Dunkel. Catrin Möderler (54) studierte Gesang in Hamburg und an der Musikhochschule Köln, arbeitete dann als Kulturjournalistin. Ihr besonderes Interesse gilt dem 19. Jahrhundert.

Vor vier Jahren erstand sie über Ebay die "Carte de Visite" einer unbekannten Schönen. "Ich fühlte mich sofort von diesem Bild angesprochen", sagt Möderler. Ihr war sofort klar: Wer sich so darstellen durfte, war entweder Royalty oder Künstlerin. In dieser Zeit war Möderler gerade von Köln nach Asbach gezogen und Leserin des General-Anzeigers geworden. In der Bad Honnefer Lokalausgabe sprang ihr im Herbst 2015 das Abbild ihrer Unbekannten entgegen - in einem Beitrag über Mila Röder. Nun hatte sie plötzlich einen Namen.

Was die Autorin über Mila und ihr Umfeld herausfand, klingt nahezu unglaublich. Sie sichtete alte Zeitungen, stöberte in Archiven und forschte in digitalen Personenstands-Archiven in Lettland und des Kölner Stadtarchivs. Dessen Teile aus der Napoleonischen Zeit waren vor dem Einsturz nach Duisburg ausgelagert worden und daher erhalten, darunter die Unterlagen von Milas Stiefvater, Theateragent Nicolas Joseph Röder, genannt Ferdinand (1809-1880), der aus einer alten Böttcher-Familie aus der Kölner Hosengasse stammte. In der Stadt Honnef, die für ihre heilsame Luft bekannt war, hatte er 1871 ein Anwesen an der Austraße erworben und dafür sein Haus in Berlin aufgegeben. Wie ein Puzzle setzte sich das Bild zusammen.

"Über Mila ist ungeheurer Unsinn im Umlauf", hat Möderler festgestellt. Doch das, was die Autorin herausfand, ist nicht weniger aufregend als die Mär. Betrug, Ehebruch, Flucht, Ruhm, märchenhafter Reichtum, höfische Kreise, Suizid, Krankheit, Tod sind die Zutaten zu diesem "Roman aus dem Leben". Möderler: "Jacques Offenbach und Johann Strauß buhlten um Mila, die große Gesellschaft Europas lag ihr zu Füßen. Eine kurze, intensive Zeit lang strahlte der Stern der bezaubernden Sängerin in Paris, Wien, Berlin, London und Florenz." Aber da gab es einen wunden Punkt: das Geheimnis um ihre wahre Herkunft.

Von einem russischen Fürsten sollte Mila abstammen, und bei Mutter und Stiefvater wurde eine Zugehörigkeit zu den Roma vermutet. Für Verwirrung sorgte bei den bisherigen Deutungen möglicherweise auch der Künstlername der ersten Frau Röders, die unter dem Pseudonym Bertha von Romani auftrat. In Wirklichkeit handelte es sich um Bertha Franziska Caroline Richter Edle von Ilsenau (1828-1914).

Die gefeierte Opernsängerin war die Tochter des kaiserlich-habsburgischen Oberpolizeicommissairs zu Prag. Nun trat sie in die Operngesellschaft Röders ein, der sich nicht nur von ihrer Stimme bezaubern ließ. Und weil ein Ehebund mit ihm keineswegs standesgemäß war, musste ein Künstlername her. Wollte Bertha dem Herrn Papa damit eins auswischen, für den Theaterleute nur "Zigeuner" waren, die Berthas englische Gouvernante als "Romani" bezeichnete? Fakt ist: Röder heiratete die Adlige. Das Theater Riga erlebte unter seiner Leitung einen Aufbruch, und Primadonna Romani war an seiner Seite. Er formte den Chor neu und forderte talentierte Sänger zum Vorsingen auf. Hier schlug die Stunde von Anna Elisabeth. Er engagierte die Frau des Schmiedemeisters Christoph Magnus Dubenowsky (1801-1866) von der Rigaer Theaterstraße sofort, entzückt von Stimme und Aussehen.

Anna Elisabeth war die zweite Frau des Gildemeisters, der zu den Honoratioren der Ostseestadt gehört. Nach dem Verlust seiner ersten Frau war plötzlich ein 19-jähriges Mädchen bei ihm aufgetaucht, aus Schrunden, seinem Heimatdorf, wo es als uneheliches Kind einen schweren Stand hatte: Anna Elisabeth Schilling (1827-1893). Diese elfenähnliche junge Frau wurde im Februar 1846 Dubenowskys Gemahlin. Am 6. April 1847 kam Töchterchen Emilie Concordia Eveline zur Welt. Sie sollte die schöne Mila werden. Nach dem Tod des zweiten Töchterchens stürzte für Dubenowskys eine Welt ein. Anna Elisabeth zog sich von ihrem Mann zurück, klammerte sich an Emilie.

Dann betrat der neue Theaterdirektor Röder ("Ferdinand") die Bühne von Riga, der seine Frau in den Proben schikanierte. Sie reiste ab. Aber: "Ferdinand hat ohnehin längst das Herz einer anderen erobert", schreibt Möderler. Er versprach Anna Elisabeth die große Welt. Sie flüchteten aus Riga mit Emilie, "Mila", arabisch "Die Schöne", wie Röder seine Stieftochter bald nannte. Röder war Bertha bald los, per Scheidung. Deutlich komplizierter wurde es, Anna Elisabeth zu heiraten. Das geschah 1859 in London, mit erkaufter Erlaubnis zur Ehe und falschen Angaben.

Wie die Geschichte weitergeht bis zum Schlusskapitel in Honnef - auf 236 Seiten ist das nachzulesen. Möderler: "Mila war hochbegabt. Aber sie wurde von ihrem Stiefvater gnadenlos überfordert." Zu erfahren ist auch, wie etwa Jacques Offenbach in Wien für Mila die Operette "Fleurette" komponierte, in der sie sich bei der Arie selbst mit der Harfe begleitete. Das Buch bietet Archivauszüge und viel Fotomaterial sowie interessante Einblicke in die Theaterwelt.

Von der Legende um tizianrotes Haar, den italienischen Grafen und die Beerdigung mit großem Pomp muss sich der Leser aber verabschieden. "Ich habe jeden Kiesel umgedreht. Dazu gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte", berichtet Möderler. Und: "Mila war blond." Geblieben ist die Marmor-Büste der Schönen von Bildhauer Robert Cauer, die im Bad Honnefer Rathaus steht.

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