Interview mit Pfarrer Bergner „Das sind Karfreitags-Geschichten!“

AEGIDIENBERG · Für Stefan Bergner ist es das zweite Osterfest in der evangelischen Gemeinde in Aegidienberg. Im vergangenen Jahr entzündete die Gemeinde auf seine Initiative erstmals ein Osterfeuer. Seit der Ankunft der Flüchtlinge in Bad Honnef engagiert sich der Pfarrer unter anderem im Café International. Zu Karfreitag sprach mit dem Fünfzigjährigen Roswitha Oschmann.

 Flüchtlingsschicksale bewegen auch Stefan Bergner (im Hintergrund).

Flüchtlingsschicksale bewegen auch Stefan Bergner (im Hintergrund).

Foto: Frank Homann

Dem Neuen Testament zufolge verbrachte Jesus die Nacht auf den Freitag im Garten von Gethsemane in Todesangst, während die Jünger schliefen. Wie konnten seine Begleiter in der Situation schlafen?

Stefan Bergner: Es ist schon immer schwer für Menschen, mit Leid umzugehen. Vielleicht wollten sie den großen Schmerz nicht wahrhaben, vielleicht haben sie gedacht, es kommt gar nicht so schlimm. Ich habe keine Vorstellung, warum die Jünger schliefen.

Aber Jesus hatte eine Vorahnung?

Bergner: Ja, er hatte eine Vorahnung, er hat ja bewusst den Abend als Abschied gestaltet. Es ist beeindruckend, wie er sich an dem Abend in die jüdische Tradition gestellt hat mit dem letzten Abendmahl.

Immer wieder heißt es, der Karfreitag sei der höchste evangelische Feiertag. Ist nicht die Auferweckung das Höchste?

Bergner: Beides bedingt sich. Natürlich ist Ostern das höchste Fest. Aber was wäre Ostern ohne Karfreitag?! Es ist ein wichtiger Feiertag. Wenn ich an die Flüchtlinge denke: Gott hat selber gelitten, er hat unter uns gewohnt und auch menschliches Leid geteilt. Gott ist den Leidenden auch heute nahe, er hat ein Empfinden dafür. Ich kann mir Gott, der über alles hinweggeht, nicht vorstellen. In der vermeintlichen Schwäche liegt die Kraft des Christentums. Der Herr ist den Weg gegangen für seine Überzeugung.

Das Weihnachtsgeschehen haben Sie den Flüchtlingen erklärt. Ostern auch?

Bergner: Wir haben gesagt, dass wir am Karfreitag einen hohen Feiertag haben und daran gedenken, dass Jesus für uns ans Kreuz geschlagen wurde. Jesus ist für Muslime ein Prophet, dem sie mit großem Respekt begegnen. Irmgard Schwermann hat bei einem Café International die österliche Symbolik und den Palmsonntag erläutert. Diakon Franz Gunkel und der Imam aus Königswinter haben gemeinsam über die Fastenzeit gesprochen. Wir haben mit den Flüchtlingen Eier angemalt. Kulturen begegnen sich.

Und es hat Zustimmung gegeben?

Bergner: Uns eint eine Hochachtung vor dem Leben. Das verbindet uns. Dafür haben die Flüchtlinge ein tiefes Gespür gerade aufgrund ihrer Geschichte, weil ihr Leben immer bedroht und gefährdet war. Die zentrale Aussage des Osterfestes ist der Sieg des Lebens über den Tod. Zu dieser Osterbotschaft gab es große Zustimmung.

Aber dann passieren Terroranschläge…

Bergner: Und Flüchtlinge geraten in Rechtfertigungsdruck. Einer sagte: „Das ist nicht der Islam, der Islam verbietet Gewalt. Wir sind vor diesen Dingen geflohen, die jetzt hierhergekommen sind.“

Hat die Flucht auch etwas mit der Ostergeschichte zu tun?

Bergner: Ich sehe das als Weggemeinschaft an. Die Paten der Flüchtlinge hören sich die Leidensgeschichten an, das sind Karfreitags-Geschichten, das hat etwas mit Durchstehen zu tun. Viele ehrenamtliche Menschen helfen, die sonst mit der Kirche nichts zu tun haben. Ich bin dankbar für diese Leute. Das zeichnet so ein Gemeinwesen aus in solch einer dörflichen Struktur wie Aegidienberg.

Was sagen Sie den Flüchtlingen?

Bergner: „Dass Ihr das geschafft habt bis hierher, diesen weiten Weg über das gefährliche Wasser, bis nach Aegidienberg. Ich freue mich so, dass Ihr das geschafft habt. Das ist ein großes Glück.“ Sie sind in Angst geflohen, so wie die Jünger, die in alle Richtungen auseinandergelaufen sind. Viele Flüchtlinge sind traurig, ihr Lebensentwurf ist in die Brüche gegangen. Viele haben Heimweh, hoffen auf Frieden in ihrem Land, sie sind ein halbes Jahr hier und fragen sich, was jetzt wird. Integration ist ein anstrengender Weg. Andere sind glücklich und sagen: „Wir hatten es nicht mehr geglaubt, hierher zu kommen.“ Uns ist wichtig, dass Menschen, die Leid hinter sich haben, das Kreuz sehen. Das möchte ich auf die Flüchtlinge beziehen.

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