Adenauers Krippe Das Jesuskind kam mit ins Eifeler Exil

RHÖNDORF · Während der Nazi-Zeit musste Konrad Adenauer nach Maria Laach fliehen. Mit im Gepäck: die wichtigsten Figuren der Weihnachtskrippe. Im Adenauerhaus sind die Barockfiguren des Alt-Kanzlers bis zum 10. Januar aufgebaut. Es gibt Sonderführungen.

Die Krippe in Adenauers Wohnzimmer verändert sich jeden Tag, denn die Figuren machen sich auf den Weg zum Jesuskind.

Die Krippe in Adenauers Wohnzimmer verändert sich jeden Tag, denn die Figuren machen sich auf den Weg zum Jesuskind.

Foto: Frank Homann

Weihnachten erzählt die Geschichte einer Flucht. Die Flucht Konrad Adenauers entzweite nach der Machergreifung der Nationalsozialisten vorübergehend die Familie. Bis 1933 Kölner Oberbürgermeister, musste er im selben Jahr nach Maria Laach ins Männerkloster fliehen. Seine zweite Frau Gussie blieb zunächst in Köln. Sie und die Kinder werden geschnitten, auf der Straße wechselt man den Bürgersteig. Die Weihnachtstage wollen sie gemeinsam feiern. Mit im Gepäck auf der Bahnfahrt in die Eifel: die wichtigsten Figuren der Weihnachtskrippe. "Das Jesuskind schaute oben aus der Tasche heraus", erinnerte sich Konrad Adenauer später an die ersehnte Ankunft am Bahnhof von Andernach.

"Diese Krippe", sagt Christa Sesterhenn, "hat viel gesehen: Freudentränen und Tränen des Leids." In diesen Wochen führt Sesterhenn angemeldete Besucher durch die Zimmer des Rhöndorfer Adenauerhauses und zeigt ihnen die Barockkrippe. Sie wird Jahr für Jahr im Wohnzimmer aufgebaut. Sie steht auch jetzt wieder dort auf einem Moosteppich aus dem Garten des Hausmeisters und beansprucht Raum und vor allem die Zeit des Betrachters. Neben den üblichen Verdächtigen stehen Kamele, ein Elefant und die Eltern von Maria, Anna und Joachim.

1906 hat der Alt-Kanzler die Krippe in Würzburg bei einem Trödler gekauft. Die 77 handgeschnitzten Holzfiguren und der Stall seien ganz staubig gewesen, als er sie entdeckte. "Adenauer vermutete, dass die Figuren von bäuerlicher Hand geschnitzt wurden, weil die Bauern und Tiere besonders genau gearbeitet sind", sagt Sesterhenn. Die Krippe ist groß, aber nicht pompös. Sie wirkt so passend in dem funktional eingerichteten Haus am Zennigsweg.

Und man bringt die Geschichten, die Christa Sesterhenn über sie zu erzählen weiß, so leicht in Einklang mit dem statthaften, aber bodenständigen Mann, der von 1949 bis 1963 erster Kanzler der Bundesrepublik war. Er soll dem Figurenspiel in der frühen Vorweihnachtszeit stets den Rücken zugewandt haben, um sich die Vorfreude nicht zu verderben. Die langjährige Haushälterin Resi Schlief war dafür verantwortlich, dass die Figuren in Bewegung blieben. Wenn sie das vergaß, kam der sanfte, aber bestimmte Hinweis: "Frau Schlief, Sie sind ja heute noch gar nicht vorangegangen."

Die ganze festliche Zeit über wussten die Adenauers wunderlich und geheimnisvoll zu gestalten. Ein Faden Lametta fand sich als Engelshaar auf der Treppe. Der älteste, längst verstorbene Sohn Konrad (genannt Koko) erinnerte sich an einen Spaziergang im Siebengebirge. Der Vater wies ihn an, sich umzudrehen, weil er mit den Engeln Zwiesprache halten müsse. Als der Junge wieder schauen durfte, stand er vor einer mit Glitzerfäden und Süßigkeiten geschmückten Tanne mitten im Wald.

Die Gründe für diese Detailfreude liegen möglicherweise in der Kindheit. In seiner Weihnachtsansprache 1951 sprach Konrad Adenauer darüber im Radio. Die wochenlange Vorfreude auf den Heiligen Abend, der Gabentisch mit dem neuen Abenteuerbuch von Sophie Wörishöffer, die als "Karl May von Altona" Bekanntheit erlangte. "Es war die Erfüllung meiner kühnsten Träume. Man war so glücklich."

Christa Sesterhenn sagt, dass die Religiosität der Familie viel Halt gegeben habe, Schicksalsschläge zu überwinden. Die beiden Ehefrauen Adenauers starben früh. Die erwachsenen Kinder konnten nicht immer gemeinsam in Rhöndorf die Lieder mit anstimmen und dabei sein, wenn die Familie sich über Neuigkeiten austauschte: "Verlobungen, Geburten, Veränderungen: Über all das sprachen wir am Zweiten Weihnachtsfeiertag", erinnert sich Adenauers Enkel Konrad. An Weihnachten kommen die Nachkommen immer noch in Rhöndorf zusammen. 75 werden es dieses Jahr sein. Zur Bescherung ertönt ein kleines Glöckchen, dass schon der Vorvater erklingen ließ, wenn es an der Zeit war.

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