Reihe "Forum Adenauer" Brigitte Seebacher sprach über ihren Ehemann Willy Brandt

RHÖNDORF · Es wurde ein ganz persönlicher Blick auf eine Jahrhundertgestalt. Professor Brigitte Seebacher, Willy Brandts Gefährtin seiner letzten 14 Lebensjahre, sprach im "Forum Adenauer" über das Vermächtnis dieses großen Politikers, dessen Geburtstag sich am 18. Dezember zum 100. Mal jährt.

Und sie sprengte mit rund 150 Besuchern alle Rekorde dieser Veranstaltungsserie der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus. Manfred Speck, Staatssekretär a.D. und Stiftungsvorstand, hatte sie für diesen Vortrag gewonnen.

"Anders als Konrad Adenauer war es Willy Brandt vergönnt, die deutsche Einheit zu erleben. Helmut Kohl verdankte ihm - wie er selbst schreibt - viel klugen Rat. Unsere überparteiliche Bundesstiftung hat allen Grund, Willy Brandt aus Anlass seines 100. Geburtstages ein ,Forum Adenauer? zu widmen", sagte Speck, einstiger enger Mitarbeiter Kohls.

1961 habe er Willy Brandt im Bundestagswahlkampf im Kurhaus Bad Honnef erlebt. Genau mit diesem Zeitabschnitt stieg Brigitte Seebacher, die von ihrem heutigen Ehemann Hilmar Kopper begleitet wurde, in ihren Vortrag ein. "Wenige Tage nach seiner Wahl zum Regierenden Bürgermeister von Berlin am 3. Oktober 1957 erschien Brandt bei Adenauer in Rhöndorf, um sich auszutauschen.

Es war nicht das erste und schon gar nicht das letzte Gespräch. Je näher die Wahl 1961 rückte, desto übler wurden allerdings die Entgleisungen, die sich der ,Alte? leistete. Willy Brandt fragte, ob dieses Niveau sein müsse. Und die Reaktion? Adenauer guckte ihn treuherzig an und sagte: ,Aber Herr Brandt, wenn ich was gegen Sie hätte, würde ich es Ihnen doch sagen.?

Rückblickend hat Willy Brandt gemeint, nicht schlecht miteinander ausgekommen zu sein." Die Historikerin nutzte den Vortrag, um mit Legendenbildungen aufzuräumen. So teile Egon Bahr in seinem jüngsten Erinnerungsbuch mit, am Tag nach dem Mauerfall mit Brandt zu der großen Kundgebung vor das Schöneberger Rathaus geflogen zu sein. "Aber Egon Bahr ist nicht mitgeflogen und hat Willy Brandt an jenem Tag auch nicht begleitet."

Mit seinem Satz "Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört", den er am 10. November im Flugzeug notiert und mittags vor dem Brandenburger Tor gesagt habe, "verlieh Willy Brandt dem Ereignis des Mauerfalls die Kraft des Wortes". Brigitte Seebacher beleuchtete auch den Beginn der neuen Deutschland- und Ostpolitik 1969.

Massenhaft seien junge Leute in die SPD geströmt und hätten der Ostpolitik einen Sinn unterlegt, den sie für Brandt nie gehabt habe. Die nachwachsende Generation habe die antikapitalistische DDR mit ihrem antifaschistischen Schutzwall in ein helles Licht gerückt. "Also genau das, was der neue Bundeskanzler der DDR nicht zubilligte."

Einige Besucher hatten besondere Erinnerungen an Willy Brandt. "Er hatte eine Nase für Politik", meinte ein Berliner, "aber er machte keine gute Personalpolitik." Seebacher: "Große Charismatiker sind keine Machtpolitiker." Sie bestätigte einem anderen Gast Kohls Besuch in den letzten Tagen Brandts.

"Es war eine große Geste, die Willy Brandt sehr berührte." Helmut Kohl rief sie nach dem Tod Willy Brandts an und sagte: "Ich schicke Ihnen jetzt den Manfred Speck. Mit dem können Sie so reden wie mit mir." Der Bad Honnefer bereitete damals das Staatsbegräbnis für Brandt vor.

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