Prozess gegen Bande Betrüger betrieben Fälscherwerkstatt auf Honnefer Campingplatz

Bad Honnef/Bielefeld · Es ist eine haarsträubende Geschichte: Vier Betrüger haben Banken in ganz Deutschland um rund zwei Millionen Euro betrogen. Die Fälscherwerkstatt, die die Taten ermöglichte, stand auf einem Campingplatz in Bad Honnef.

 Ein Campingplatz in Bad Honnef diente Betrügern als Fälscherwerkstatt. Das Archivfoto zeigt nicht den Campingplatz.

Ein Campingplatz in Bad Honnef diente Betrügern als Fälscherwerkstatt. Das Archivfoto zeigt nicht den Campingplatz.

Foto: dpa

Die Geschichte ist filmreif: Eine vierköpfige Betrügerbande schädigt Banken mit Konten teils erfundener, teils „gekaperter“ Identitäten um mehr als zwei Millionen Euro. Der Dreh- und Angelpunkt der Betrugsmasche ist ein Büro in Bielefeld, die Fälscherwerkstatt des Quartetts jedoch befand sich auf einem Campingplatz in Bad Honnef. Das Landgericht Bielefeld verurteilte die Bandenmitglieder nun zu teilweise hohen Haftstrafen.

Auf der Anklagebank saß ein illustres Quartett, das zu erfinden kaum möglich wäre: Eine Frau (51), die bis vor kurzem ein Mann war, und sich Geld für die Geschlechtsumwandlung beschaffen wollte. Ein 59 Jahre alter Profi-Betrüger, der den Begriff „offener Vollzug“ recht großzügig auslegte und sich nach Mallorca absetzte. Ein kleiner Italiener (66) aus dem Westerwald, der Schwierigkeiten gehabt haben dürfte, seinen echten Personalausweis unter der Vielzahl von falschen wiederzufinden. Und ein 55-jähriger Österreicher, der in einem Wohnwagen auf einem Campingplatz in Bad Honnef logierte – wo er eine mit allen Schikanen ausgestattet Fälscherwerkstatt betrieb und seinen Kumpanen die Betrugsmasche erst ermöglichte.

270 Fälle bundesweit

Sie alle bildeten nach Überzeugung des Landgerichts Bielefeld, gewonnen in einem fast fünf Monate dauernden Prozess, eine Bande, deren Ziel es war, Banken zu erleichtern: Mit den in Bad Honnef gefälschten Personalpapieren und mittels des so ad absurdum geführten Postident-Verfahrens eröffnete die Bande Konten, erschlich sich darauf Darlehen und räumte sie ab. Über 270 Fälle bundesweit insgesamt mit einem Schaden von mehr als 1,4 Millionen Euro waren angeklagt.

Zur Begehung der Taten unterhielt das Quartett eigens ein Büro in Bielefeld – und machte munter bis Mitte 2014 weiter, nachdem der 59-Jährige 2011 aus dem offenen Vollzug nach Mallorca geflüchtet war. „Er stellte seine Kontakte und Kenntnisse eines Marktes zur Verfügung, auf dem er seit Jahrzehnten mit Leidenschaft tätig ist“, sagte der Richter. Und nachdem der „Urlauber“ auf Mallorca geschnappt worden war, kamen seine Direktiven und praktischen Ratschläge an die Mittäter weiter – aus der Gefängniszelle.

"Kreativität" der Bande waren kaum Grenzen gesetzt

Das alles hätte nicht geklappt ohne den 55 Jahre alten Österreicher – ein alter Knast-Bekannter des Profibetrügers und als Fälscher ebenso ein Meister seines Fachs. Er stellte in dem Wohnwagen in Bad Honnef nicht nur falsche Personalausweise her, sondern fälschte schlicht alles, was die Bande nicht auf legalem Wege beschaffen konnte – inklusive Gehaltsbescheinigungen und notarielle Urkunden, die nötig waren, um Käufe und Verkäufe von so genannten Schrottimmobilien im Rheinland und im Sauerland vorzutäuschen und sich so Kredite zu erschwindeln. Der 66-jährige Italiener trat mehrfach unter falschen Identitäten als Käufer auf, um die Immobiliengeschäfte anzubahnen und die notariellen Abwicklungen vornehmen zu lassen. Waren die Zahlungen auf den dazu eingerichteten Konten eingegangen, wurden sie abgeräumt. Der finanzielle Schaden der Banken, die auf den Darlehen sitzen blieben, beträgt noch einmal fast eine halbe Million Euro.

Der "Kreativität" der Bande waren kaum Grenzen gesetzt, wenn es darum ging, sich Glaubwürdigkeit zu verschaffen: Um echte Identitäten zu „kapern“, schlugen sie auf Golfplätzen die Scheinwerfer teurer Autos ein und täuschten damit Bagatellunfälle vor – die Daten der geschädigten Autofahrer nutzte der Fälscher, um in seinem Wohnwagen daraus falsche Papiere echter Personen zu basteln. Bei so viel krimineller Energie galt für die Wirtschaftsstrafkammer das Profi-Duo als Haupttäter. Der Fälscher muss für insgesamt elfeinhalb Jahre hinter Gitter: Fünfeinhalb plus sechs Jahre, die aus der Zusammenziehung mit einem weiteren Verfahren resultieren. Der 59-Jährige bekam fünf Jahre Haft. Bei der 51-Jährigen habe „die Strafkammer die massive Aufklärungshilfe hoch honoriert“, der italienische Strohmann – der etwa von 2006 bis 2010 nicht näher aufzuklärende Verbindungen zu einer ähnlich agierenden Immobilien-Betrügerbande im Raum Köln-Bonn unterhalten habe – kommt wie die Frau aus Jülich mit dreieinhalb Jahren davon.

Fälscherwerkstatt flog durch Zufall auf

Aufgeflogen war die Bande durch eine kuriose Verkettung von Umständen. Mitglieder einer 2013 vom Landgericht Detmold verurteilten Einbrecherbande hatten aus dem offenen Vollzug heraus – und unter Beobachtung der Polizei – dem Fälscher Gemälde verkauft, die sie erbeutet und versteckt hatten. Die Durchsuchung des von dem Österreicher in Bad Honnef benutzten Wohnwagens im März 2015 förderte dann die komplett ausgestattete Fälscherwerkstatt zutage und Spuren, die zu den anderen Angeklagten führten. Ganz bitter für den Österreicher: Die Gemälde, die ihm zum Verhängnis wurden, waren gefälscht – und zwar so gut, dass es ihm selbst nicht auffiel.

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