Bildhauer Dirk Wilhelm Beethovenpreis entsteht in Bad Honnef

RHÖNDORF · Der Rhöndorfer Bildhauer Dirk Wilhelm hat die „Evolute“ geschaffen: Das Werk wird als Internationaler Beethovenpreis am Samstag in Bonn überreicht und würdigt den Einsatz des türkischen Künstlers Fazil Say für Menschenrechte und Freiheit in seinem Heimatland.

 Der letzte Schliff: Dirk Wilhelm bearbeitet in seinem Atelier die Alabaster-Skulptur, Rüdiger Fuchs (l.) schaut zu.

Der letzte Schliff: Dirk Wilhelm bearbeitet in seinem Atelier die Alabaster-Skulptur, Rüdiger Fuchs (l.) schaut zu.

Foto: Frank Homann

Dirk Wilhelm streicht mit den Fingern über die zarte Skulptur. Noch ein letzter Schliff – dann ist sie parat für ihren glänzenden Auftritt an diesem Samstag in der Bonner Kreuzkirche. „Evolute“ nennt der Rhöndorfer Bildhauer sein Werk, das nun zum zweiten Mal als Internationaler Beethovenpreis für Menschenrechte, Frieden, Freiheit, Armutsbekämpfung und Inklusion vergeben wird.

Erneut an einen Pianisten – nach der Auszeichnung des Syrers Aeham Ahmad im Vorjahr wird die Beethoven Academy diesmal den Einsatz des türkischen Künstlers Fazil Say für Menschenrechte und Freiheit in seinem Heimatland würdigen.

Evolute? Der Betrachter kann sich dem Begriff auf mathematische Weise mit komplizierten Formeln und Sätzen nähern, wie diesem: „Die Evolute einer ebenen Kurve ist die Bahn, auf der sich der Mittelpunkt des Krümmungskreises bewegt, wenn der Berührpunkt auf der Kurve entlang wandert.“ Angenehmer ist es, dieser geschwungenen Form optisch nachzuspüren. Mit Schmirgelpapier wird Dirk Wilhelm die Skulptur außen noch bearbeiten, um den Glanz des Alabasters auf die Oberfläche zu zaubern.

Dieses Material, das aussieht wie Stein, durchsichtig wirkt und dem Marmor ähnelt, aber viel weicher ist, hat der Bildhauer für diese Arbeit gewählt. Eine Haut wie Alabaster galt schon in der Antike als Schönheitsideal; die Ägypterinnen mixten bereits vor 4.000 Jahren in ihre Cremes Alabasterstaub. Davon rieselt eine Menge zu Boden, wenn Wilhelm mit Meißel, Hammer und Raspel an einer neuen „Evolute“ arbeitet.

Denn während die Nummer zwei fast perfekt ist für die Übergabe als Beethovenpreis 2016, dient sie dem Künstler noch als Muster für das nächste Jahr. 2015 musste alles sehr schnell gehen. Die Initiatoren dieses Preises, Torsten Schreiber und Andreas Loesch, wollten, berührt vom Schicksal des Flüchtlings Aeham Ahmad, der zwischen den Trümmern seiner Heimatstadt Damaskus auf seinem „rollenden“ Klavier so lange spielte, bis auch das zerstört wurde, den Syrer recht schnell auszeichnen.

„Drei, vier Wochen vor der Verleihung erhielt ich die Anfrage, ob es möglich sei, eine Trophäe herzustellen“, erinnert sich Dirk Wilhelm. Zwei Entwürfe fertigte er, informierte sich auch, wie das eigentlich beim „Oscar“ ist, dessen Sockel erst nach der großen Oscar-Verleihung beschriftet werden darf, um die Geheimhaltung des Preisträgers zu wahren. Topsecret ist die Personalie beim Beethovenpreis indes nicht, wenn erst einmal die Entscheidung gefallen ist, die sich an Beethovens Satz „Wohl tun, wo man kann, Freiheit über alles lieben“ orientiert.

Neben seiner „Evolute“ entwickelte der Bildhauer auch eine sternhafte Form. Die Initiatoren entschieden sich für die geschwungene Trophäe, weil sie Teil des Notenschlüssels ist. Und es war schon Gänsehautgefühl für den Schöpfer, als Aeham Ahmad seinen Preis drehte und entdeckte, dass diese Figur nicht nur Violin-, sondern, auf dem Kopf stehend, auch Bass-Schlüssel ist. „Das war ein Geschenk.“

Dirk Wilhelm, der nur in Stein arbeitet und dabei nach einer Perfektion strebt, die seinen Werken eine Einheit von Material, Form und Umgebung verleihen, entwickelte die „Evolute“ aus einem Kreis mit einem Durchmesser von 18 Zentimetern und schnitt die Grundform aus Alabaster vor. „Ich hätte auch eine Bronzefigur als Alternative gießen können.“ Aber die fragile Form, die Durchlässigkeit des Materials für Licht, ließ ihn zu dieser edlen Gipsart greifen.

Gedankenassoziationen führten zur Form: Aus der Spirale – die auch für den immer größer werdenden Radius Ahmads steht, der in seiner Heimat nicht mehr leben konnte, so wie viele andere Menschen auch, die sich ausbreiteten wie die Musik Beethovens – wurde der Notenschlüssel. „Er strahlt von innen heraus“, betont Wilhelm.

„Die Skulptur spiegelt die innere Haltung wider“, sagt Rüdiger Fuchs. Der Bad Honnefer ist Geschäftsführer der Kölner Beratungsgesellschaft Solidaris, die den mit 10.000 Euro dotierten Preis sponsert. „Eine gute Idee, die wir fördern möchten. Menschen setzen Signale in dieser schwierigen Zeit.“ Das war auch für Dirk Wilhelm das Motiv, die Skulptur zu kreieren und zu spenden. Aus einer rauen Masse schuf der Rhöndorfer Künstler einen Edelstein.

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