Salon in Bad Honnef Hildegard Dienst ist seit 67 Jahren Friseurin

Siebengebirge · Seit ihrem 14. Lebensjahr ist Hildegard Dienst als Friseurin tätig, mittlerweile im Siebengebirge. In ihren 67 Dienstjahren hat sie auch schon die sowjetische Politprominenz rasiert und dem Fußballer Fritz Walter die Hände manikürt.

„Zwei oder drei Zentimeter an den Spitzen sollten aber schon ab.“ Hildegard Dienst blickt kritisch auf die Haarsträhne, greift erst zum Kamm, dann entschlossen zur Schere und macht sich an die Arbeit. Wie seit mittlerweile 67 Jahren. 81 Jahre alt ist die gebürtige Rheinbreitbacherin, die heute in Bad Honnef lebt. Jung, muss es richtigerweise heißen, wenn man die zierliche, perfekt frisierte Dame bei der Arbeit sieht.

An zwei Vormittagen in der Woche bedient sie ihre Kundinnen in dem alteingesessenen Salon Plag an der Bad Honnefer Hauptstraße – mittlerweile nur noch ihre Stammkundschaft, die zum Teil bereits seit Jahrzehnten zu ihr kommt. „Einige Damen sind jede Woche hier zum Waschen, Schneiden, Föhnen“, erzählt sie. „Da kennt man sich, spricht viel über die Familie, was halt so im Leben passiert. Über die lange Zeit hat sich da ja schon fast eine Art Vertrauensverhältnis entwickelt.“

Fritz Walter die Hände manikürt

Hildegard Dienst liebt ihren Beruf, „ich wollte nie etwas anderes werden“, sagt sie. Mit 14 Jahren hat sie ihre Lehre in einem Bonner Salon am Hofgarten begonnen, Anfang der 60er Jahre wechselte sie in den Friseursalon im Hotel Königshof. „Da stieg natürlich viel internationales Publikum ab“, erinnert sie sich. Spannend habe sie das gefunden, „ich war ja schließlich eine junge Frau von Anfang 20“.

Und sicher hatte sie da auch viel Prominenz auf dem Frisierstuhl sitzen? Dienst denkt nach, dann schüttelt sie die blonden Haare. „Naja“, sagt sie. An Fußballspieler Fritz Walter erinnert sie sich, dem hat sie einmal die Hände manikürt. Und an den italienischen Grafen, der ihr in Rom die Sixtinische Kapelle zeigen wollte.

Sowjetische Politprominenz

Und natürlich an die Episode mit dem stellvertretenden sowjetischen Ministerpräsidenten: Anastas Iwanowitsch Mikojan war 1958 zu Gast in der Bundeshauptstadt Bonn und brauchte an einem Sonntagmorgen einen Friseur, der ihm den Bart stutzt. Am Vorabend klingelte zu Hause bei Hildegard Dienst das Telefon. „Ich war mit meinem Mann gerade vom Tanzen nach Hause gekommen und hatte plötzlich den Hoteldirektor am Hörer“, erinnert sie sich. Wo denn ihr Chef sei?, wollte der wissen. „Na, im Urlaub“, habe sie geantwortet. „Dann müssen Sie ran. Der Mikojan braucht jemanden, der ihn rasiert.“

Rasiert allerdings hatte Dienst bis zu diesem Zeitpunkt noch nie jemanden, erst recht nicht sowjetische Politprominenz. „Ich habe das dann noch abends am Bart meines Mannes geübt“, erinnert sich die 81-Jährige heute. „Zwei, drei Mal. Dann ging das schon.“

"Good morning, ich bin die Friseurin"

Pünktlich am nächsten morgen um 7 Uhr sei die Limousine vorgefahren, um die junge Frau in die sowjetische Botschaft nach Mehlem zu bringen. „Good morning, ich bin die Friseurin“, habe sie Mikojan freundlich begrüßt. Der habe sich erstaunt in seinem Stuhl umgedreht, die junge Frau im schmalen, modischen Kleid und den hohen Schuhen gemustert und ihr dann immer wieder zugezwinkert. „Ich sah ja ganz gut aus“, sagt Dienst heute bescheiden. Nervös jedenfalls sei sie nicht gewesen. Nur froh, als die Rasur verletzungsfrei vollendet war und sie wieder nach Hause durfte. „Als ich zur Tür herauskam, standen da schon die 'weißen Mäuse' zur Eskorte“, erinnert sie sich.

Die Motorradfahrer der Bonner Polizei, die zu jener Zeit Staatsoberhäupter auf ihren Wegen durch Bonn begleiteten, ließen es sich an diesem Morgen jedenfalls nicht nehmen, ein bewunderndes Hupkonzert für die hübsche Frau anzustimmen. „Das ist nicht, was Sie jetzt denken“, habe sie die Herren entschieden zurechtgewiesen. „Ich bin die Friseurin.“ Mitte der 60er Jahre, als ihr Sohn in die Schule kam, wechselte Dienst ihre Arbeitsstelle und kam in den Salon nach Bad Honnef.

Für Dauerwellen nur eine Lösung

„Natürlich war das ein Unterschied“, sagt sie in der Rückschau und erinnert sich etwa an ihr erstes Trinkgeld, das deutlich bescheidener als in der Hauptstadt ausfiel. Doch in Sachen Frisiertechnik und Trends sei der Unterschied gar nicht mal so groß gewesen. „Früher gab es zum Beispiel für Dauerwellen nur eine Lösung, die auf das Haar aufgetragen wurde“, erzählt sie. „Egal, ob das Haar dünn oder dick, lang oder kurz, strapaziert oder gesund war.“

Da sei das Ergebnis dann auch durchaus schon mal eher kraus als lockig ausgefallen. Platinblonde Mähne à la Marilyn Monroe hatte dank Wasserstoffperoxid zumeist schmerzende Kopfhaut zur Folge. Großzügig genutztes Haarspray machte die Frisur sturmsicher und ließ sich abends nur mühsam wieder ausbürsten. „Und früher wurden die Haare natürlich auch noch häufiger gelegt. Heute lässt jeder föhnen.“

"Wir sind wie eine große Familie"

Kurz nach dem Tod ihres Mannes 1982 habe sie einmal überlegt, den Beruf zu wechseln. Hildegard Dienst belegte einen Kursus im Maschineschreiben. „Das habe ich dann aber wieder schnell gelassen.“ Als sie 60 Jahre alt wurde, habe sie ihren Kollegen mitgeteilt, dass sie zu alt zum Arbeiten sei und aufhören werde. Daraus wurde nichts.

Seitdem steht sie an zwei Vormittagen im Salon und kündige jedes Jahr aufs Neue an, nun aber wirklich aufhören zu wollen. „Meine Kolleginnen lassen mich nicht“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. „Viele von ihnen sind ja auch schon seit Jahrzehnten hier und könnten meine Kinder sein“, so Dienst. Und ihre älteste Kundin sei mittlerweile 90 Jahre alt und komme immer noch regelmäßig zum Haarefärben. „Wir sind zusammen alt geworden und wie eine große Familie.“

Wie lange sie noch zu Kamm, Schere und Föhn greifen will? Da hat Hildegard Dienst dann aber doch klare Vorstellungen: „Wenn ich nur noch mit dem Stock gehen kann, höre ich auf.“ Aber bis dahin gelte: Der Beruf ist ihr größtes Hobby.

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