GA-Serie "Rheinische Redensarten" Sedd esu jot un doot datt

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir mit Unterstützung von Dialektsachverständigen bedeutungstiefe Redewendungen.

Die Rheinländer lassen sich ganz grob in zwei Gruppen unterteilen. Da sind die Einen, die ihr Leben in die Hand nehmen und tun, was zu tun ist. Und da sind die Anderen, die lieber erst einmal abwarten, Tee trinken, und gucken, was sich so entwickelt. Um diese beiden Charaktertypen klar voneinander zu unterscheiden, hat man die Begriffe Praktiker und Theoretiker erfunden.

Und genau durch die Reibung zwischen diesen beiden Extremen ist unsere rheinische Redensart entstanden. „Sedd esu jot un doot datt“ ist leichter Hand übersetzt ins hochdeutsche Idiom: Seid so gut und tut das!

Grammatikalisch betrachtet, handelt es sich hier um einen Imperativ. Hier weist ein Mensch einen anderen an, etwas zu tun. Was genau, das ist aus diesem Satz nicht genau herauszulesen.

Das hängt damit zusammen, dass diese Redewendung stets am Ende einer längeren Absprache steht. In der Regel hat man darüber gesprochen, dass doch etwas sinnvollerweise zu tun wäre, und es ist auch die Frage gestellt worden, wer genau das nun tun solle. Meist kommt der redensartliche Satz dann zum Einsatz, wenn das Was und Wer schon mehrmals hin und her gewälzt wurde. Letztlich muss irgendwann eine Entscheidung her. Und dann sagt meist der Überlegene: Seid so gut und tut das! Genau in diesem Moment wird die ganze Widersprüchlichkeit des rheinischen Wesens offenbar. Denn es ist gerade der entschlossene Praktiker, der den unentschlossenen Theoretiker anweist, etwas zu tun, mit der Folge, dass der Theoretiker praktisch tätig wird und der Praktiker im Theoretischen bleibt. Schon im Mittelalter gab es die Unterscheidung der Vita activa und der Vita contemplativa, dem aktiven und passiven Leben. Wobei damit die körperlichen von den geistigen Tätigen unterschieden wurden.

In der Bibel steht dazu im Jakobusbrief 1,22: „Seid aber Täter des Worts und nicht Hörer allein“. Und Wolfgang von Goethe lässt seinen Mephisto im Faust sagen: „Vergebens dass Ihr ringsum wissenschaftlich schweift, ein jeder lernt nur, was er lernen kann, doch der den Augenblick ergreift, das ist der rechte Mann.“ Das ist wieder einmal der Beweis, dass der Rheinländer schon immer wusste, was sich andere erst durch langes Nachdenken erarbeiten mussten.

Haben auch Sie einen rheinischen Lieblingsspruch, dann mailen Sie ihn uns unter rheinisch@ga.de. Die „Rheinischen Redensarten“ aus der wöchentlichen Kolumnenserie des General-Anzeigers sind als Buch erschienen und ab sofort in den GA-Geschäftsstellen und im Handel zu haben. Das gedruckte Werk hat die Edition Lempertz verlegt, ISBN: 978-3-96058-211-3, es kostet 9,99 Euro.

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