Public Viewing Ronaldos Landsleute haben zu früh gejubelt

SINZIG · Es ist heiß, die Luft erscheint eher schnittfest. Die Fans haben die Großleinwand fest im Blick. Fast jede Aktion der 22 Spieler bei der EM-Partie Deutschland gegen Portugal sorgt für eine beachtliche Geräuschkulisse: Public Viewing im Sinziger Portugiesen-Zentrum am Samstagabend.

 Kurz vor der Halbzeit jubeln die Portugiesen. Doch der Ball war nur auf der Linie.

Kurz vor der Halbzeit jubeln die Portugiesen. Doch der Ball war nur auf der Linie.

Foto: Gausmann

Fast 150 Fans drängeln sich im eigentlich etwas zu klein bemessenen Klubraum. Seit sich die Sinziger Portugiesen wegen der gestiegenen Energiekosten den benachbarten großen Saal nicht mehr leisten können, muss man eben etwas enger zusammenrücken. Und die Übertragung des portugiesischen Senders ATP 1 kommt lautstark und engagiert, aber eben in Portugiesisch rüber.

Als Freunde schauen sich deutsche wie portugiesischen Fußballfans das Spiel an. Man kennt sich seit vielen Jahren, auch vom Public Viewing bei der WM.

Entsprechend wird schon mal etwas gefrotzelt: Eigentlich reicht es schon die fünf Finger der Linken, die vom Herzen kommt, auszustrecken und dabei in aller Ruhe den Namen Sebastian Schweinsteiger zu murmeln. Das weckt in der ansonsten begeisterungsfähigen portugiesischen Fußballseele ein leichtes Fadogefühl.

Zur Erinnerung: Schweinsteiger war an fünf der sechs deutschen Treffer, beim Spiel um den dritten Platz der WM 2006 (3:1) und im Viertelfinale der EM 2008 (3:2) beteiligt.

Aber Vorsicht, im Portugiesen-Zentrum, trifft man auf internationales Fachpublikum. Viele Spanier sind gekommen, auch einige türkische Mitbürger der benachbarten islamischen Gemeinde. Und in einem deutschen Trikot muss nicht unbedingt ein deutscher Fan stecken, wie auch einige deutsche Stammgäste schon mal portugiesisches Outfit tragen. Selbst beim EM-Bier gibt es ein Remis zwischen dem Gerstensaft der Nationalmannschaft aus der Eifel und dem Marktführer Portugals.

Und natürlich gibt es wegen der kleinen Frotzelei eine extrem schnell auf portugiesisch vorgetragene Laudatio auf Christiano Ronaldo, als besten Fußballspieler der Welt. Dessen schnelle Übersteiger in Folge bei einem portugiesischen Angriff sorgen für begeistertes Gekreische bei den jungen und weiblichen Fans.

"Schön, dass der deutsche Fußball sein Portugaltrauma überwunden hat", kommt ein weiterer Konter aus der jüngeren Fußballhistorie. Und tatsächlich ist die Niederlage bei der EM im Jahr 2000, als eine portugiesische B-Elf das deutsche Team mit 3:0 in der Vorrunde nach Hause schickte, fast verdrängt.

Portugals Sérgio Conceição schenkte damals dreimal ein. Hektische Diskussionen entstanden in der Pause durch das vermeintliche Wembley-Tor kurz vor Halbzeit. Die Portugiesen hatten auch aus ihrer Sicht zu früh gejubelt. Aber nach dem deutschen 1:0-Erfolg durch den Kopfball-Treffer von Mario Gomez in der 72. Minute herrscht Einigkeit: "Es war ein glücklicher deutscher Erfolg ,und jetzt wird zusammen gefeiert".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort