GA-Serie „Rheinische Redensarten“ Isch bin em Brass

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir bedeutungstiefe Redewendungen. Dieses Mal: Isch bin em Brass

 Ich bin im Stress!

Ich bin im Stress!

Foto: GA-Grafik

Der Rheinländer ist eigentlich nicht dafür bekannt, dass er zu viel auf einmal macht. Eher hält man ihn für gemütlich und genügsam. Ja, was heutzutage angesichts des immer anstrengender werdenden Alltags zu einem Modethema geworden ist, könnte als Ur-Idee der rheinischen Lebensart gelten: Die Work-Life-Balance. Oder auf gut Deutsch: Die Balance zwischen Arbeit und Leben (gemeint ist hier Freizeit).

Nun gibt es Situationen, in denen dem gelassensten Menschen der Puls geht. Sei es, weil er viel zu tun hat, oder er etwas widerwillig macht. Und dann sagt er hierzulande gerne: „Isch bin em Brass.“ Die moderne und neutrale Übersetzung ins Hochdeutsche wäre wohl: Ich bin im Stress.

Die Psychologen haben herausgefunden, dass Stress zwei gegensätzliche Daseinsformen besitzt. Man unterscheidet da inzwischen den positiven und den negativen Stress. In beiden Fällen aktiviert ein Stresshormon der Familie Adrenalin die Kraftreserven des Betreffenden. Handelt es sich um einen kurzfristigen positiven Anschub, etwa wenn man kreativ tätig wird und Spaß an der Freud entwickelt, dann ist das der gesunde Stress. Und der führt zu sogenannten Flowerlebnissen, bei denen Raum und Zeit vergisst. Ist man dagegen dauerhaft negativ gestresst, weil einem die Arbeit über den Kopf wächst und man keine Freude mehr am Leben hat, dann ist das krankmachender Stress.Und genau Letzteres ist mit Brass gemeint. Es ist nicht nur einfach viel Arbeit, sondern Ärger, Wut, Sorge und drückender Kummer. Im Hochdeutschen hat sich diese Vokabel nicht gehalten. Wohl aber im Dialekt. Es stammt vom mittelhochdeutschen Wort Gebresten, was so viel wie Mangel haben bedeutet. Das Wort Bras seinerseits geht aufs Niederdeutsche zurück und bedeutet Menge oder Haufen.

Hier haben wir also den interessanten Fall, dass die Vokabel entweder zu viel oder zu wenig bedeuten. Was genau gemeint ist, muss man sich aus dem Zusammenhang erschließen. Wer Brass hat, der hat auch Brassel und ist meistens am brasseln. Er arbeitet also mühevoll und ruhelos und macht sich dabei Umstände. Deshalb heißt der Umstandskrämer auch Brasselemanes.

Der Verlag Lempertz hat die neuen Kolumnen von Jörg Manhold unter dem Titel „Rheinisch für Fortgeschrittene“ veröffentlicht. Das Buch ist im Handel erhältlich.

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