Prozess gegen mutmaßlichen "Schlecker-Räuber" in Koblenz begonnen

Zahlreiche Überfälle auf Drogerien in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen - 52 000 Euro erbeutet

Prozess gegen mutmaßlichen "Schlecker-Räuber" in Koblenz begonnen
Foto: Martin Gausmann

Koblenz. Fast ein Jahr lang hatte der so genannte "Schlecker-Räuber" die Polizei in Atem gehalten. In der Zeit von August 2007 bis Mai dieses Jahres hatte er insgesamt 26 Filialen der Drogeriemarktkette überfallen, ohne dass ihm die Beamten der Ermittlungskommission "Brille" auch nur ansatzweise auf die Spur gekommen wären.

Die Überfälle des Serientäters erstreckten sich auf Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern. Dabei erbeutete er insgesamt rund 52 000 Euro. Erst als beim letzten Überfall am 7. Mai im bayerischen Goldbach einer der Angestellten die Flucht gelungen war, und sie sich das Kennzeichen seines Autos hatte merken können, konnte die Polizei den Mann wenige Tage später in dessen Dürener Wohnung festnehmen und dem Katz-und-Maus-Spiel ein Ende bereiten.

Seit Mittwoch muss sich der 40-Jährige wegen räuberischer Erpressung in insgesamt 26 Fällen vor dem Landgericht Koblenz verantworten. "Die Festnahme war für mich wie eine Erleichterung. Denn so konnte es nicht weitergehen", erklärte der geständige Angeklagte zu Prozessbeginn.

Am Mittwoch schilderte er dem Gericht minutiös die von ihm begangenen Überfälle. Dazu zählen unter anderem die Filialen in Schuld, Niederzissen, Meckenheim, Neuwied und Wesseling.

"Schlecker" habe er ausgewählt, weil er bei seinen Recherchen festgestellt habe, dass die Filialen meist mit nur einer Mitarbeiterin besetzt seien, und die Geschäfte grundsätzlich über keine Kameraüberwachung verfügten. Zudem habe er Märkte bevorzugt, die recht abseits gelegen waren. Die Überfälle an sich seien stets nach dem selben Muster abgelaufen.

So habe er die von ihm ausgewählten Filialen meist kurz vor Ladenschluss aufgesucht. Sei erkennbar gewesen, dass sich in den Geschäften keine Kunden mehr aufgehalten hätten, sei er hineingegangen. "Ich habe mein Klappmesser aus dem Beutel geholt, und den Angestellten mit ruhiger Stimme versichert, dass sie keine Angst haben müssten und ich ihnen nichts tun möchte. Dann habe ich höflich darum gebeten, mir das Geld auszuhändigen", schilderte der 40-Jährige seine Vorgehensweise.

Dabei betonte er, dass es nicht, wie in der Anklage formuliert, zu "körperlichen Kontakten" mit dem Messer gekommen sei. "Ich habe stets einen halben Meter Abstand gehalten, um die psychische Belastung der Angestellten möglichst niedrig zu halten", erklärte der Angeklagte. Auch habe er bewusst auf jede Form der Maskierung verzichtet, um so jegliche Aggression, wie sie etwa eine Strumpfmaske vermittelt hätte, zu vermeiden.

Tatsächlich leiden viele der Opfer bis heute unter den Überfallen. Zwei von ihnen wohnen dem Verfahren als Nebenkläger bei. So auch eine 49-jährige Angestellte des Marktes in Wesseling, die laut ihres Anwalts infolge des Überfalls am 28. November vergangenen Jahres Angst vor Männern habe und sich scheue, alleine die Wohnung zu verlassen. Die Frau befindet sich bis heute in psychiatrischer Behandlung und sei nach wie vor arbeitsunfähig. Die 49-Jährige klagt auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.

Zu Prozessbeginn hatte sich der Angeklagte bei der Frau entschuldigt und für das Geschehene um Verzeihung gebeten. "Ich war erschrocken, als ich in den Akten las, welche Folgen mein Verhalten gehabt hat", bereute der 40-Jährige mit tränenerstickter Stimme seine Taten.

Seine Überfälle begründet er mit "finanziellen Nöten". Als gelernter Kfz-Mechaniker habe zuletzt bei einem Entsorgungsunternehmen gearbeitet. Weil er mit den "illegalen Methoden" nicht einverstanden gewesen sei, habe er gekündigt. "Ich war zu stolz, um mich arbeitslos zu melden und bin immer mehr abgerutscht", erinnert sich der 40-Jährige.

Er habe sich dafür geschämt, auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen zu sein. "Als die Not immer größer wurde, bin ich auf die Idee gekommen, Schlecker-Märkte zu überfallen", sagte der Angeklagte. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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