Rheinbacher Amtsgericht Praktikant erhält keine Entschädigung für Arbeitsunfall

RHEINBACH · Der Rheinbacher Richter spricht den Bauleiter frei, weil ihm keine fahrlässige Körperverletzung nachzuweisen ist. Ein 36-Jähriger war von Hallendach gestürzt.

Um ein Haar mit dem Leben bezahlt hätte ein 36-jähriger Oberhausener Schreiner seinen Praktikumsplatz bei einer Abbruchfirma. Am 15. Juli 2010 war er gemeinsam mit dem 48-jährigen Bauleiter und einem weiteren 43-jährigen Mitarbeiter, einem gelernten Dachdecker, auf einer Baustelle in Meckenheim, um das Dach einer Halle abzudecken.

Allerdings brach der 36-Jährige gleich am ersten Tag seines Praktikums durch die Eternitplatten und stürzte acht bis neun Meter in die Tiefe. Diesen Unfall überlebte er nur mit knapper Not: Brüche an Becken, Hüfte, Kreuzbein, Schambein und Steißbein, rechtem Arm und Handgelenk sowie Lebensgefahr aufgrund eines Leber-Aneurysmas - drei Monate lag er insgesamt im Krankenhaus.

Vor das Rheinbacher Amtsgericht kam der Fall jetzt, weil sich der Bauleiter wegen Baugefährdung aufgrund mangelnder Sicherung sowie fahrlässiger Körperverletzung verantworten musste. Ein Sicherheitsnetz sei zwar vor Ort gewesen, wie alle Beteiligten übereinstimmend aussagten.

Gefehlt hätten aber die notwendigen Spanngurte, die am nächsten Tag hätten geliefert werden sollen. Auseinander gingen die Aussagen von Bauleiter und Mitarbeiter jedoch darüber, wer die Eternitplatten des Daches trotzdem zur Hälfte abgebaut hatte, bevor es zu dem Unfall kam. Der Verteidiger des Angeklagten betonte, sein Mandant habe die ganz klare Anweisung gegeben, dass der Praktikant erst aufs Dach dürfe, wenn die Sicherung komplett sei.

Der Bauleiter sollte mit dem gelernten Dachdecker gemeinsam im Korb eines Hubwagens hochfahren, von dort aus Platten abschrauben und die Materialien nach unten fahren, die der Praktikant am Boden entgegennehmen sollte. Irgendwann jedoch habe dieser selbstständig den Korb bestiegen und die Platten abgeschraubt. Dabei sei er aber nicht auf der stabilen Schraubenreihe der Eternitplatten gelaufen, sondern zurückgetreten, um eine festsitzende Schraube loszutreten und sei dabei durch die Platten gebrochen.

Währenddessen seien die anderen beiden "um die Ecke" beschäftigt gewesen und erst durch seinen Schrei auf den Unfall aufmerksam geworden. Der geschädigte Praktikant bestritt diese Aussage: "Es ist nicht wahr, dass er mir ausdrücklich untersagt hat hochzufahren." Vielmehr sei er von Anfang an mit dem Dachdecker gemeinsam auf dem Dach gewesen, beide gemeinsam hätten Platten abmontiert und auf Europaletten auf den Gabelstapler gelegt.

Während die Staatsanwältin die Schilderung des Geschädigten für logischer hielt und die Aufrechterhaltung der Höhe des Strafbefehls von 1200 Euro forderte, wies der Verteidiger des Angeklagten hingegen auf Widersprüche in der Aussage des Geschädigten zur Auffindesituation vor Ort hin. Richter Ulrich Schulte-Bunert sprach den Bauleiter schließlich frei, weil er "so viele Zweifel an dessen Schuld" habe, dass letztlich nur ein Freispruch infrage komme.

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