Psychologen schlagen Alarm Patienten warten Monate auf Therapie

KÖLN/BONN · Menschen mit psychischen Erkrankungen müssen in Deutschland immer länger auf ein erstes Gespräch mit einem Therapeuten warten. Bis ein Patient eine Therapie aufnehmen kann, vergehen laut einer Umfrage bei den bundesweit rund 18.000 niedergelassenen Psychotherapeuten nicht selten Monate.

Die Bundespsychotherapeutenkammer fordert die Zulassung von 4000 zusätzlichen Praxissitzen. "Zwei Monate Wartezeit für ein Erstgespräch sind in Köln und Bonn die Regel, in den Landkreisen dauert es teilweise noch deutlich länger", sagte Rainer Richter, Präsident der Bundestherapeutenkammer in Berlin.

Dabei schneidet das Rheinland noch gut ab. Deutschlandweit müssen Menschen mit psychischen Erkrankungen durchschnittlich 12,5 Wochen auf ein Erstgespräch warten. In einigen Regionen dauert es sogar bis zu einem Jahr.

"Auf dem Land warten psychisch kranke Menschen doppelt so lange auf einen Behandlungsplatz wie in der Stadt", kritisierte Richter. Ursache für den Andrang in den Praxen ist auch die stark gestiegene Zahl psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz. Laut Bundesarbeitsministerium wuchs die Zahl der Fehltage wegen Burnouts, Depressionen, Angstzuständen und anderer psychischer Erkrankungen von 33,6 Millionen im Jahr 2001 auf 53,5 Millionen im Jahr 2010. Als Ursache für Arbeitsunfähigkeit verdoppelte sich ihr Anteil in dieser Zeit von 6,6 auf 13,1 Prozent.

Als Gründe für den Anstieg nennt das Ministerium steigende Arbeitsbelastung, erhöhte Eigenverantwortung, höhere Flexibilitätsanforderungen und "nichtkontinuierliche Beschäftigungsverhältnisse". Besonders gefährdet sind demnach Frauen. Im Jahr 2010 gingen nach Angaben der Bundesregierung rund 39 000 weibliche Beschäftigte aufgrund psychischer Erkrankungen in die Erwerbsminderungsrente, doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor.

Durch die langen und ungenutzten Therapie-Wartezeiten erhöht sich nach Angaben der Bundestherapeutenkammer auch das Risiko, dass sich psychische Erkrankungen verschlimmern, verlängern oder wiederkehren.

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