Ohne Gurt

So gesehen

Zugegeben, die Abwrackprämie lockt. Aber manchmal zeigen sich die Vorteile eines soliden, einfachen Autos älteren Baujahres gegenüber einem dieser hochsensiblen High-Tech-Wunder. Letzteres darf ich zurzeit fahren, weil mein treuer, 14 Jahre alter Diesel, "kleiner Traktor" genannt, zu nahe Bekanntschaft mit einem nachfolgenden Auto gemacht hat - Beule, Werkstatt, Leihwagen waren die Folge.

Da saß ich dann in meinem schicken Auto auf Zeit, das so einiges kann: Es macht das Licht von alleine an, wenn ich in einen Tunnel fahre und danach wieder aus, es piepst, wenn ein Fahrgast nicht angeschnallt ist, es bringt den Wischer in Bewegung, sobald mehrere Tropfen die Windschutzscheibe berühren.

Einsteigen, anschnallen, los. Nach wenigen Metern fängt das Auto an zu piepsen. Die Anzeige macht mir klar: Da ist jemand nicht angeschnallt. Ich prüfe meinen Gurt - sitzt perfekt, ist eingerastet. Mitfahrer gibt es nicht. Also hinauf auf die Autobahn. Nur: Je schneller ich werde, desto schneller wird das Warnsignal, und desto lauter auch. Pingpingping gellt es in meinem Ohr. Hektisch zerre ich an meinem Gurt - immer noch fest -, sehe mich im Auto um - immer noch keine weiteren, unangeschnallten Fahrgäste.

Oder doch? Mit einem Schlag befördere ich meine - naja, nicht besonders leichtgewichtige - Handtasche vom Beifahrersitz in den Fußraum. Endlich Ruhe. Für das Auto ist der vermeintliche unangeschnallte Fahrgast offenbar in voller Fahrt ausgestiegen und die Welt wieder in Ordnung. So gesehen ist mein kleiner Traktor ganz klar überlegen: In ihm darf ich meine Handtasche abstellen, wo ich will - auch ohne Gurt.

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