Ohne Chips und Süßes purzeln die Pfunde

Sigrid Rösinger-Pape von der Bad Neuenahrer DRK-Fachklinik zieht nach einem Jahr Bilanz des Projektes "Durch dick und dünn" - Jungen und Mädchen kämpfen gegen ihr Überwicht

  Sigrid Rösinger-Pape.

Sigrid Rösinger-Pape.

Foto: Vollrath

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Wenn im Projekt "Durch dick und dünn" bei Kindern und Jugendlichen die Pfunde purzeln, dann gibt das nicht nur der körperlichen, sondern auch der seelischen Entwicklung einen enormen Kick. Eine positive Bilanz ziehen die Leitende Ärztin Eva Bergheim-Geyer und die Diplom-Psychologin Sigrid Rösinger-Pape der Bad Neuenahrer DRK-Fachklinik für Kinder-und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik für das vor rund einem Jahr ins Leben gerufene Projekt.

Das Präventions- und Rehasportprogramm für extrem übergewichtige (adipöse) Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 18 Jahren wird als Projekt getragen von der in Westum ansässigen Stiftung "Biologisches Alter". Mit im Boot sitzen von anfänglich vier nun alle Kinderärzte sowie viele Hausärzte im Kreis Ahrweiler und mehrere Kinderärzte aus Meckenheim, die Fachabteilung für Reha- und Gesundheitssport des SC 07 Bad Neuenahr mit ihrer Leiterin Sabine Krevet-Alpmann, die Projekt-Patin und Frauenfußball-Weltmeisterin Martina Müller, aber auch der Deutsche Sportstudioverband.

"Wir haben viel Unterstützung und Zuspruch erfahren", bilanziert Rösinger-Pape. So meldeten sich weitere Sportvereine, um den 42 Mädchen und Jungen aus dem AW-Kreis, Mayen, Mendig, Meckenheim und Bad Godesberg abwechslungsreiche Bewegung zu verschaffen. Der TV 06 Bad Neuenahr bot Tennis-Schnupperstunden an, in Sinzig wurde dem "Indoor-Football" gefrönt und ab Montag lädt ein Sportgeschäft in der Kreisstadt zu Nordic Walking ein.

Zwei Tage pro Woche finden sich die Betroffenen - manche von ihnen wogen mehr als 100 Kilo - in der Ambulanz der Klinik oder in einem Sportstudio ein, um in der Kombination von Psychotherapie, Ernährungsberatung und Bewegung ihrem Problem Herr zu werden. "Die Gewichtszunahmen erfolgten bei allen ungefähr ab dem dritten Schuljahr. Gründe können sein die Trennung der Eltern, Todesfälle in der Familie oder der Verlust von Freunden zum Beispiel nach einem Schulwechsel", so die betreuende Diplom-Psychologin.

Geprägt von Ängsten wie Tierphobien, waren sie zum Teil latent depressiv, verfügten über so gut wie keine Sozialkontakte und fühlten sich durch Stress in der Schule nebst Ausgrenzung durch ihr Äußerliches minderwertig. Viele Stunden verbrachten sie vor dem Fernseher, sättigten sich mit Essen aus Tüten wie Chips und Süßigkeiten. Heute nun, ein Jahr später, haben alle Kinder und Jugendliche abgenommen, alle haben ihre Versetzung geschafft, den Fernsehkonsum drastisch gesenkt, ihr Essverhalten geändert, an Selbstbewusstsein gewonnen und sind nach wie vor hoch motiviert.

Ihre Eltern, die für den Rehasport im Quartal 20 Euro Eigenanteil zahlen, standen ihnen die ganze Zeit zur Seite, "ohne sie würde nichts laufen", so Rösinger-Pape. Viele achten beim Einkauf von Lebensmitteln auf fettarme Ernährung und die Kalorienangaben, kochen zu Hause mit den Eltern und versuchen, nicht mehr in alte Verhaltensmuster zurück zu fallen.

"Auch die Schulen, übrigens sind alle Schulformen vertreten, haben mitgemacht. Rollenspiele in den Klassen halfen zu verdeutlichen, wie man sich ausgegrenzt fühlt. Schon das erlaubte Tragen eines T-Shirts beim Schwimmunterricht hilft übergewichtigen Jungen ungemein." Der SC 07 erhielt für sein Angebot das Qualitätssiegel des Deutschen Sportbundes "Sport pro Gesundheit", und auch das ZDF berichtete in seinem Mittagsmagazin über das Projekt, die Konsequenzen aus Übergewicht wie Diabetes, Bluthochdruck oder orthopädische Probleme zu bekämpfen.

Im vergangenen Jahr erfolgte die Aufnahme in die AGA, die Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter, an der Uni Ulm werden die Ergebnisse dokumentiert und auch die beiden Therapeutinnen der DRK-Fachklinik wollen eine Studie erstellen. "Wenn nun im Mai das Projekt in die zweite Runde geht, werden wir die Kinder und Jugendlichen der Premiere nicht sich selbst überlassen. Mit monatlichen Gruppentreffen werden wir sie in den kommenden drei Jahren begleiten", so Rösinger-Pape im GA-Gespräch.

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