Kleinkunstbühne in Lantershofen Norbert Blüm gegen EM-Boykott

LANTERSHOFEN · Im Rahmen der Veranstaltungen der Kleinkunstbühne in Rieck's Landgasthof Lantershofen war ein Autor zu Gast, der sich als Politiker einen Namen gemacht hat: Norbert Blüm, einst Bundesarbeitsminister und vor allem wegen seines Ausspruchs "Die Renten sind sicher" immer noch ein bekannter Mann.

 Zwar mit erhobenem Zeigefinger, aber trotzdem sympathisch präsentierte sich Norbert Blüm in Lantershofen.

Zwar mit erhobenem Zeigefinger, aber trotzdem sympathisch präsentierte sich Norbert Blüm in Lantershofen.

Foto: Martin Gausmann

Der heute 75-Jährige ging auf diese berühmten Worte nicht mehr ein, er hat sich ein anderes Thema auf die Fahne geschrieben: die immer mehr wachsende Macht des Geldes und die damit verbundene immer geringer werdende Wertschätzung des Menschen und seiner Arbeit.

In seinem jüngsten Buch "Ehrliche Arbeit - Ein Angriff auf den Finanzkapitalismus und seine Raffgier" hat sich Blüm intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Heraus kam eine gut einstündige Mischung aus Lesung und Erzählung, der man als Überschrift "Früher war alles besser" verbunden mit der Warnung vor dem falschen Zukunftsweg geben könnte.

Von den 150 Zuhörern in Lantershofen erntete Blüm aber immer wieder ein wohlwollendes Kopfnicken und Applaus, wenn er feststellte, dass es doch nicht sein könne, wie da Geld mit Geld verdient werde, wie ein junger Konzern wie Vodaphone ein alteingesessenes Unternehmen wie Mannesmann einfach so schlucke, indem es seine Aktien unters Volk werfe wie die Karnevalisten in Köln die "Kamelle".

Blüm fragte sich, warum ein Unternehmen wie Porsche dank Spekulationen einen Gewinn ausweisen könne, der höher als der Umsatz sei. Er prangerte die nicht mehr vorhandene Gleichheit zwischen Weltsozialprodukt und Weltfinanzmasse an und forderte vehement, Arbeit und Menschlichkeit müssten wieder geachtet werden.

"Wir sind doch wieder auf dem Weg zum Nomadentum", so der gelernte Werkzeugmacher und ehemalige Bundesminister angesichts der tagtäglichen Verfrachtung von Menschen zu ihren Arbeitsstellen in weiter Ferne. "Früher haben wir in fernen Ländern Bodenschätze abgeholt, heute holen wir die Qualifizierung in Form von Menschen."

Im zweiten Teil des Abends begann Norbert Blüm, mit dem Publikum über seine Aussagen zu diskutieren und beschäftigte sich auch mit aktuellen Themen. Ob es denn Sinn mache, die Fußball-EM in der Ukraine zu boykottieren, wurde da gefragt. Ein klares Nein war die Antwort.

Blüm holte weit aus und erzählte, wie er sich mit Machthabern wie General Pinochet oder Pieter Willem Botha angelegt habe. In Chile war eine der Folgen der weiteren Entwicklung, dass die Exekution von 17 zum Tode Verurteilten ausgesetzt wurde. Das Gespräch sei immer sinnvoller als ein Boykott, so Norbert Blüm, der es allerdings auch begrüßte, dass Bundeskanzlerin Merkel auf eine Reise zur Europameisterschaft in die Ukraine verzichten wolle. "Aber die Funktionäre des Fußballs sind vor Ort gefordert, sie sollten auf große Banketts verzichten, wenn der Staatspräsident dabei ist, das zeigt mehr Wirkung."

Zwei Stunden lang dauerte die Lesung, nach der der Autor die zahlreichen Autogrammwünsche noch gerne erfüllte. Sein neues Buch fand reißenden Absatz.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort