Rechtsrheinische Jugendämter Neue Rahmenkonzeption entwickelt

KÖNIGSWINTER · Eine verbesserte Kooperation und neue Standards für die Vollzeitpflege wollen die rechtsrheinischen Jugendämter der Städte Bad Honnef, Königswinter, Lohmar, Sankt Augustin, Siegburg und des Rhein-Sieg-Kreises erreichen. Die neue Rahmenkonzeption der Jugendämter ist in der Zeit von Ende 2009 bis Ende 2011 entwickelt worden - und damit begannen die Arbeiten noch vor dem Tod der neunjährigen Anna.

 Auch das Königswinterer Jugendamt beteiligt sich an der Kooperation zur Vollzeitpflege.

Auch das Königswinterer Jugendamt beteiligt sich an der Kooperation zur Vollzeitpflege.

Foto: Frank Homann

Sie starb im Juli 2010 in der Wohnung ihrer Pflegeeltern in Bad Honnef, nachdem ihre Pflegemutter sie in der Badewanne unter Wasser gedrückt hatte. Annas Pflegemutter wurde wegen des Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, ihr Mann zu sechseinhalb Jahren Haft. Gegen die Sachgebietsleiterin und den früheren Königswinterer Jugendamtsleiter ermittelt die Bonner Staatsanwaltschaft noch - ebenso wie gegen eine Person im Honnefer Jugendamt.

Die Rahmenkonzeption, deren Umsetzung in Königswinter am Donnerstag, 8. März, im Jugendhilfeausschuss beschlossen werden soll, beschreibt dezidiert, wie die Arbeit mit einem anvertrauten Kind abzulaufen hat. "Dabei steht das Pflegekind im Mittelpunkt aller Bemühungen", heißt es dort.

Dass das nicht immer so ist, scheint nicht nur der Fall Anna zu belegen. In der Urteilsbegründung hatte das Bonner Schwurgericht Kritik an dem Vorgehen den Königswinterer Jugendamtes geübt und betont, dass "drei Mal die Alarmglocken geläutet" hätten, aber nicht reagiert wurde.

Im vergangenen Jahr hatte zudem der Königswinterer Amtsrichter Ulrich Feyerabend in einem anderen Prozess gegen eine Pflegemutter aus Ittenbach wegen Misshandlung, Körperverletzung, Freiheitsberaubung betont: "Damals hätte man handeln, genauer hinsehen können."

"Mit den Kindern hat keiner gesprochen"

Sämtliche Verantwortlichen hätten sich ausschließlich mit der Pflegestelle beschäftigt, die Pflegeeltern betreut. "Mit den Kindern hat keiner gesprochen." Mit Hilfe der Rahmenkonzeption werde eine kooperative Vernetzung der Jugendhilfe im Pflegekinderbereich auf regionaler Ebene angestrebt, besonders auch im zuständigkeitsübergreifenden Raum der einzelnen Jugendämter. Ein weiterer Schwerpunkt ist ein Bewerberkurs, den künftige Pflegeeltern besuchen sollen.

Die Konzeption beschreibt auch den Umgang der zuständigen Mitarbeiter mit den Pflegekindern sehr detailliert. "Die Fachkraft des Jugendamtes baut im Laufe der Vermittlung und während der Dauer der Pflegezeit ein vertrauensvolles Verhältnis zu dem Pflegekind auf, indem sie persönliche Einzelkontakte mit dem Pflegekind durchführt. Diese finden mindestens zwei Mal jährlich statt", heißt es dort.

Der Einzelkontakt soll kindgerecht gestaltet werden, zum Beispiel in Form von gemeinsamen Freizeitaktivitäten. Dabei soll das Pflegekind ermuntert werden, sein persönliches Empfinden zu seiner Lebenssituation zu äußern.

Die für Anna zuständige Sachgebietsleiterin des Jugendamtes berichtete als Zeugin im Prozess gegen die Pflegeeltern, dass sie das Mädchen in zwei Jahren insgesamt zwei Mal in deren Zimmer alleine getroffen habe.

Neues Konzept mit klarer Aussage

Nachdem der Sozialarbeiter von der Rheinischen Diakonie im November 2009 zu Hilfe gerufen wurde, gab es von ihrer Seite aus überhaupt keinen Kontakt mehr zu Anna und ihren Pflegeeltern. Dabei sollte sich der Sozialarbeiter nur um eine Verbesserung des Kontaktes zwischen Annas leiblicher Mutter und den Pflegeeltern kümmern.

Auch zu Problemen des Pflegekindes im Kontakt zu den leiblichen Eltern enthält das neue Konzept eine klare Aussage: Lehnt ein Kind Kontakte ab, so ist zu prüfen, ob die Weigerung zum Umgang auf ernsthaften Gründen beruht, die zu einer tief greifenden Störung des Eltern-Kind-Verhältnisses geführt haben.

Die Sachgebietsleiterin im Jugendamt hatte einen regelmäßigen Kontakt von Anna zu ihrer leiblichen Mutter für nicht zielführend gehalten. Dabei hatte sie durchaus bemerkt, dass die Briefe, in denen Anna den Kontakt ablehnte, nicht dem Ductus einer Neunjährigen entsprachen.

"Vor der Vermittlung des Kindes sollte klar sein, dass grundsätzlich Pflegeeltern für ein Kind gesucht werden, nicht ein Kind für die Pflegeeltern", heißt es in dem Konzept. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Oder eben doch nicht: "Anna wurde zum Objekt ihrer Selbstbestätigung", urteilte das Bonner Schwurgericht über ihre Pflegemutter.

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