Nach den Mauern wachsen nun die Reben

Junge Erwachsene qualifizieren sich in Unkel mit ihrem Einsatz für Einstieg in Arbeitsleben

Nach den Mauern wachsen nun die Reben
Foto: Holger Handt

Unkel. "Den Stock kannst du ruhig noch etwas weiter zurückschneiden. Soviel Saft und Kraft, dass auch die Reben hoch oben noch gut ausgebildet würden, kann er nicht aus dem Boden ziehen! Weniger ist oft mehr im Weinberg."

So fachmännischen Rat erteilt Siegfried Jagau den neuen "Hobbywinzern" vom Caritas-Projekt "Trockenmauerbau" bei der Arbeit im Wingert, den Eigentümer Gerhard Thelen ihnen hoch über Scheuren überlassen hat.

"Diese Hilfe haben wir natürlich als ausgesprochene Greenhorns unbedingt nötig. Aber es ist natürlich schon toll, dass wir nach dem Bau der Weinbergsmauern nun auch die Arbeit im Weinberg selbst und damit den ganzen Kreislauf kennenlernen", freute sich Projektleiter Markus Zimmermann.

Zunächst stehe noch die Pflege der alten Weinstöcke auf dem Programm, aber bis zur Lese sei es auch nicht mehr lange hin. Insgesamt 1 500 Rebstöcke erstrecken sich auf den Lagen "Sonnenberg" und "Elsberg" am Ende der Bergstraße von Scheuren Richtung Südwesten.

Genau 400 Stöcke stehen seit diesem Jahr unter der Obhut von Zimmermanns Truppe im Zuge der landespflegerischen Arbeit, die vor allem von Birgit Kellers betreut wird. "Ahnung vom Weinbau habe ich jedoch auch nicht. Aber der Markus hat sich ja im Vorjahr schon einarbeiten lassen", berichtet sie. "Auf das Know-how von Siegfried Jagau beim Keltern des Rotweins werden wir im Herbst aber ebenso angewiesen sein wie auf seine Geräte.

Denn ein Schnellkursus als Winzer reicht natürlich nicht aus, um erfolgreich Rebensaft auszubauen, schon gar nicht Rotwein", gesteht Zimmermann. Die notwendigen Fässer würden Gerhard und Wolfgang Thelen zur Verfügung stellen und Flaschen zum späteren Abfüllen sammele seine Truppe schon eifrig.

Die ist in diesem Jahr auf 32 Mitglieder angewachsen. Der Grund: Das Caritas-Projekt gehört seitdem neben der Neuwieder Awo-Arbeit GmbH, der Katholischen Familienbildungsstätte (FBS) Neuwied, der Heinrich-Haus GmbH Neuwied und "Informa", dem Zentrum für Hörgeschädigte, der "Quinte" an.

Dieser regionale Trägerverbund soll in Kooperation mit der Arge Neuwied das jeweilige Qualifizierungs- und Beschäftigungsprogramm für erwerbsfähige Hilfebedürftige im Alter bis 35 Jahre optimieren.

"Dabei kommt uns natürlich zu Gute, dass wir seit Anfang dieses Jahres im ehemaligen katholischen Kindergarten von Erpel zumindest zunächst bis Ende 2008 ein neues Domizil gefunden haben und dort von unseren Nachbarn gut aufgenommen worden sind", freut sich der Projektleiter.

Die unsichere und sehr beengte Container-Unterkunft an der Unkeler Grillhütte hat damit ein Ende. Nun können endlich ungestört Bewerbertraining, Wirtschaftslehre und Fachsprache oder EDV-Kurse angeboten werden, für die Dieter Gulden das Betreuer-Team als Fachkraft zusätzlich ergänzt.

"Und er hat schon so tolle Arbeit geleistet, dass wir jetzt sogar ein Projekt im Projekt gestartet haben. Unsere Teilnehmer bieten in Erpel zwei Mal die Woche einen EDV-Kursus für Senioren an, der gut besucht wird", berichtet Zimmermann.

Arbeitslos geworden ist Jürgen Ullrich, Fachanleiter für den Trockenmauerbau, dadurch längst nicht, denn seine handwerklichen Kenntnisse werden zu Zeit bei der Sanierung der Trockenmauern entlang des Weinbergswegs von Rheinbreitbach gebraucht. "Dort werden wir noch gut sechs bis sieben Monate beschäftigt sein und damit mindestens noch zwei neue Teams einarbeiten", berichtet der Projektleiter.

Vorgesehen in der Quinte ist nämlich alle drei Monate eine Rotation der Teilnehmer zu einem anderen Träger. So bekommen die "Trockenmauer-Bauer" etwa Einblick in die Ernährungslehre bei der FBS oder in die Lagerwirtschaft bei der Awo.

"Wir rücken zusammen, damit es mehr wird, ist schließlich das Motto der Quinte", betont Zimmermann, der von dem Modellversuch begeistert ist. Dieser habe sich gut angelassen und auch Vermittlungserfolge könnten alle fünf Träger vermeldet.

"Wir haben im ersten Quartal schon zwei unserer Teilnehmer in alteingesessenen Unkeler Betrieben unterbringen können und angesichts des demografischen Wandels bin ich auch für die Zukunft recht optimistisch, das wir unsere Vorgabe, 20 Prozent unserer jungen Leute zu vermitteln, erfüllen können", betont er.

Die widmen sich momentan aber am liebsten ihrer Beschäftigung als Winzer und fiebern der Zeit entgegen, dass die noch kleinen grünen Trauben zu saftig-prallen Reben heranwachsen und sich endlich rot färben.

"Handwerkliche Arbeiten mit dem unmittelbar sichtbaren Erfolg und dann noch in der freien Natur motivieren am meisten. Und Motivation ist am wichtigsten, um zu lernen, Regeln zwischenmenschlichen Verhaltens wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Durchhaltevermögen einzuhalten", erklärt Zimmermann.

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