Mit Lanze und Laterne durch die Rheinbacher Nacht

Klaus Hofmann schlüpft seit einem Jahr regelmäßig in die Rolle des Nachtwächters Niklas Aulick

Mit Lanze und Laterne durch die Rheinbacher Nacht
Foto: Wolfgang Henry

Rheinbach. "Hört, ihr Leut', und lasst euch sagen: Unsere Glock' hat neun geschlagen. Neun vergaßen Dankespflicht. Mensch, vergiss die Wohlfahrt nicht. Menschenwachen kann nichts nützen. Gott muss wachen, Gott muss schützen. Herr, in deiner Güt' und Macht, schenk uns eine gute Nacht", rezitiert Klaus Hofmann den Stundenruf aus dem Nachtwächterlied. Die Glocken von Sankt Martin melden dazu die neunte Stunde.

Eine Gruppe wartet schon auf den Mann vom Eifel- und Heimatverein an der großen Schwengelpumpe, der "Nachtwächterpumpe", auf dem Platz "Am Bürgerhaus". Der 73-Jährige ist wieder einmal in die Rolle des Nachtwächters Niklas Aulick geschlüpft, um eine Stunde lang Gäste durch den mittelalterlichen Kern der Stadt führen.

Bereits acht Mal hat Hofmann seit November 2008 den Nachtwächter gespielt, den es wirklich gegeben hat: Hans Josef Henk fand im Pfarrarchiv Sankt Martin einen Zettel mit dem Originalvertrag des historischen Nachtwächters. "Und da blieb mir nichts anderes übrig, als auch wieder aufzutauchen."

Mit schwarzer Mütze, langem grauem Mantel, Trompete, einer 200 Jahre alten Nachtwächterlaterne und einer 2,50 Meter langen Lanze, die beiden letzteren Leihgaben des Stadtarchivs, verkörpert Hofmann den Junggesellen Aulick im Alter von 66 Jahren, der sein Gehalt als Kanalarbeiter mit dem Nebenjob des Nachtwächters aufbessert.

Sein am 3. Januar 1816 abgeschlossener Vertrag mit der Stadt verpflichtet ihn, von abends neun bis morgens vier "durch die Straßen zu gehen und die Stunden auszurufen". Dafür erhält er 13 Reichstaler jährlich. Zusätzlich ist es Aulicks Aufgabe, "den Bach und das Gitter am Kallenturm sauber zu halten" und die Bürger vor Feuern zu warnen. Trotz dieser wichtigen Aufgaben wird sein Beruf "wie der des Henkers und Schlächters" gering geachtet und schlecht bezahlt, so dass er in bescheidenen Verhältnissen in der Grabenstraße wohnt.

Mit Anekdoten aus vergangenen Zeiten versetzt Hofmann seine Zuhörer in die Zeit vor 200 Jahren, als es noch keine Straßenbeleuchtung gab, Rheinbach 200 Häuser und 1 300 Einwohner hatte und besagte Schwengelpumpe die einzige öffentliche Wasserversorgung war. Er erzählt von Bränden, Gefängnisausbrüchen, blutigen "Gaststättenschlägereien mit Säbeln und Pistolen", dem mysteriösen Tod der Magd des Gerichtsschreibers Gehlhausen, der "die Hand des Teufels im Gebetsbuch" erschienen war.

Mit der Laterne leuchtet der Nachtwächter den Weg: an alten Fachwerkhäusern vorbei die Bachstraße hinauf, rechts in die Polligstraße, am Himmeroder Hof vorbei zur Weiherstraße. Am ehemaligen Windmühlenturm ist es dunkel. Vorsorglich hat der Nachtwächter die kleine Schar darüber informiert, die Lanze sei nur als Abschreckwaffe gegen aufdringliche Hunde gedacht und er selber "zum Vertreiben von Gesindel viel zu alt".

Am Wilhelmsplatz erzählt er. "Hier stand früher ein großes Tor, durch das die Krönungsstraße führte." Mehr als 30 in Frankfurt gewählte Könige zogen die heutige Hauptstraße hinunter zur Krönung nach Aachen. "Und wenn wir ganz still sind, hören wir vielleicht noch die Geräusche ihres Trosses." Der Abschied an der Schwengelpumpe lautet in Versform: "Euch nun rat' ich geht nach Haus. Machet Licht und Feuer aus. Schließt die Tür und Fenster zu. Gott bewahre Eure Ruh'."

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