Mike M. kann sich ans Messer nicht erinnern

Im Prozess um den Mord an Evelyn S. vor dem Bonner Schwurgericht belastet der Angeklagte nun den Ehemann - Der mutmaßliche Täter will den ganzen Tag über getrunken haben

Spurensuche:  Beamte suchen in Birken am Tag nach der blutigen Tat das Gelände rund um den Tatort ab.

Spurensuche: Beamte suchen in Birken am Tag nach der blutigen Tat das Gelände rund um den Tatort ab.

Foto: Vogel

Lohmar. Das Unternehmerehepaar aus Lohmar-Birken gab dem Arbeitslosen immer wieder Jobs in Firma, Haus und Garten. Doch der 35-jährige Mike M. war ständig pleite, und zwei Tage vor Heiligabend brach er in die Villa der Eheleute ein. Als seine Gönnerin unerwartet heimkam und die Polizei rufen wollte, stach er auf sie mit Messer und Schere ein.

Die 53-jährige Evelyn S. verblutete, ihr Mann, der kurz nach ihr heimkam, konnte ihr nicht mehr helfen. Der 57-jährige Unternehmer sah sogar noch den Schatten des Täters ( der GA berichtete). Von diesem Tathergang geht die Staatsanwaltschaft aus, die Mike M. wegen Mordes zur Verdeckung einer Straftat anklagte. Nun steht Mike M. vor dem Bonner Schwurgericht - und belastet plötzlich den Ehemann des Opfers.

Dabei war sein Geständnis bisher eindeutig gewesen: Er habe auf die Frau eingestochen, um sie davon abzuhalten, die Polizei zu rufen. Dann sei plötzlich ihr Mann heimgekommen, er habe sich in einem Zimmer hinter der Tür versteckt, und der Ehemann habe ihn nicht gesehen. Die Frau habe zu dem Zeitpunkt nur noch geröchelt, und während ihr Mann in den Keller lief, um sich mit einem Beil zu bewaffnen, sei er über die Terrasse geflüchtet.

Tatsächlich hatte der 57-jährige mit der Axt in der offenen Haustür neben der Leiche seiner Frau auf die Polizei gewartet. Und war prompt für den Täter gehalten, zu Boden geworfen, gefesselt und stundenlang vernommen worden. Und nun sitzt Mike M. da und belastet ihn, allerdings ohne es auszusprechen, eher so wie nebenbei und unabsichtlich.

Als Schwurgerichtsvorsitzender Udo Buhren ihn nämlich nach der Schere und den beiden Messern fragt, mit denen er insgesamt 17 Mal zugestochen habe, will Mike M. nur noch von einem Messer wissen. Dass ein Messer im Hals des Opfers steckte, könne nicht sein. Und plötzlich behauptet er, der Ehemann und er hätten sich angesehen. Außerdem habe er den 57-Jährigen noch mit der Verletzten reden hören. Er wisse auch, dass die beiden Trennungsabsichten hatten. Der Unternehmer aber hatte bei der Polizei nur von dem Schatten des Täters gesprochen. Mike M. hatte er ins Spiel gebracht als einen Zeugen, der an dem Tag für seine Frau habe arbeiten sollen. Deshalb war der Angeklagte zunächst nur als Zeuge vernommen worden.

Erst als die Spuren des in der Nähe des Hauses gefundenen und zuvor an einer Bank in Wahlscheid gestohlenen Fahrrads ausgewertet waren und voller Spuren von Mike M. waren, wurde der 35-Jährige am 8. Januar festgenommen. Auch alle übrigen Spuren am Tatort weisen laut Anklage auf ihn.

Nun vor Gericht betont Mike M. außerdem immer wieder: Er habe am Tattag ganz schön gebechert. Schon morgens habe er mit seinem Bruder angefangen, Bier zu trinken. Mike M., der Bruder und die Eltern lebten seit längerem in Wohnwagen auf einem Campingplatz in Lohmar-Pleisen. Die Familie hat nie so richtig Fuß gefasst, nachdem sie 1989 aus der DDR herkam.

Mike M. bekam mit einer Ex-Lebensgefährtin zwei Kinder, zu denen er heute kaum noch Kontakt hat. Der Gedanke, für sie keine Weihnachtsgeschenke kaufen zu können, will ihn am 22. Dezember getrieben haben. Aber im Haus des Unternehmers habe er kein Geld gefunden, und wenn Evelyn S. ihn einfach hätte gehen lassen, wäre gar nichts passiert.

Doch sie habe seine Bitte ignoriert und alles sei außer Kontrolle geraten: "Ich weiß nicht mehr genau, was passiert ist, es ging alles so schnell." Nach der Verhaftung sagte er: "Ich weiß nicht, was ich mit dem Ehemann gemacht hätte, wenn der mich gesehen hätte."

Der 57-jährige Horst S. lässt sich im Zeugenstand nicht anmerken, was in ihm vorgeht, als er sich daran erinnern muss, wie er an jenem Abend seine Frau vorfand: "Meine Frau hat noch einmal geröchelt, sie lag in ihrem Blut, und in ihrem Hals steckte ein Messer." Sie muss vor seinen Augen gestorben sein. Dabei wollte die 53-Jährige noch einmal ein neues Leben anfangen, denn das Ehepaar lebte schon länger im Haus getrennt, und hatte schon eine neue Wohnung gemietet.

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