"Mein Mandant hatte kein Unrechtsbewusstsein"

Meys-Prozess: Ex-Kreisdirektor Günter Brahm steht vor dem Bonner Gericht im Zeugenstand - Die Verteidigung will den Prozess aussetzen und das Verfassungsgericht anrufen

Viele Beratungspausen  gab es am Mittwoch im Prozess gegen Karl-Heinz Meys (rechts). Als Zeuge trat Ex-Kreisdirektor Günter Brahm (2. von rechts) auf.

Viele Beratungspausen gab es am Mittwoch im Prozess gegen Karl-Heinz Meys (rechts). Als Zeuge trat Ex-Kreisdirektor Günter Brahm (2. von rechts) auf.

Foto: Arndt

Rhein-Sieg-Kreis. Schrecksekunde für alle, die nach 69 Verhandlungstagen ein baldiges Ende des Schmiergeldprozesses gegen Karl-Heinz Meys herbeisehnen: Obwohl am Mittwoch das Plädoyer der Verteidigung auf dem Terminplan stand, stellten die Anwälte des Ex-RSAG-Geschäftsführers vorm Bonner Landgericht erst einmal weitere Beweisanträge. Die Folge: viele Beratungspausen.

Der frühere Kreisdirektor Günter Brahm solle in den Zeugenstand treten und bestätigen, dass Meys zwar als Geschäftsführer, nicht aber als Amtsträger gehandelt habe, als er nach eigenen Angaben 1,6 Millionen Euro "Provision" von Müllzar Hellmut Trienekens erhielt. Das ist eine wichtige Frage, weil daran die Härte der Strafe bemessen wird. Die vier Meys-Anwälte waren bestens vorbereitet, denn sie hatten ihren Zeugen gleich mitgebracht.

Brahm hatte die Gründungsphase der RSAG im Jahre 1983 an vorderster Front miterlebt und die Verträge federführend formuliert, war selbst zeitweise nebenamtlicher RSAG-Geschäftsführer und später Aufsichtsratsmitglied. "Wir wollten eine privatrechtliche Form und nach Möglichkeit die Politik raushalten", erläuterte er.

Auf die Frage von Strafverteidiger Volkmar Mehle, ob die Position des RSAG-Geschäftsführers seiner Meinung nach "Amtscharakter" gehabt habe, meinte der frühere Kreisdirektor: "Das ist eine schwierige Frage. So spontan würde ich sagen Nein." Er wisse aber auch, dass es eine andere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) gebe.

Damit meinte er ein Urteil zur Erfurter Fernwärme GmbH, die strukturell der RSAG sehr ähnelt. Auch sie ist eine 100-prozentige Tochter der Kommune. Der BGH urteilte, dass der dortige Geschäftsführer als Amtsträger zu gelten habe. Brahm räumte zudem ein, dass der Kreis die RSAG in puncto Steuerpflicht als kommunalen Betrieb angesehen habe. Und der Arbeitsvertrag des Geschäftsführers habe den Bezug zum Bundes-Angestellten-Tarif (BAT) enthalten.

Auch im Plädoyer von Anwalt Hans-Joachim Weider stand das Thema Amtsträgerstatus von Karl-Heinz Meys im Vordergrund. Zuvor meldete der Niederpleiser allerdings über seinen Verteidiger "Ausfallerscheinungen" an. Er ließ mitteilen, dass er aktuell einen sehr hohen Zuckerwert gemessen habe und der Verhandlung gar nicht mehr folgen könne. Nach kurzer Absprache ging''s dennoch weiter. Allerdings nur mit dem ersten Teil des Plädoyers. Für Donnerstagmittag ist der zweite Teil geplant. Insgesamt sind dafür rund drei Stunden vorgesehen.

Rechtsanwalt Weider kleckerte am Donnerstag nicht, sondern klotzte. Er beantragte, in der Frage der Amtsträgerschaft das Bundesverfassungsgericht anzurufen und den Prozess einstweilen auszusetzen. Schließlich hätten Landgerichte und der Bundesgerichtshof in mehreren Fällen unterschiedlich geurteilt.

Und wenn schon juristische Fachleute nicht genau wüssten, wann ein Geschäftsführer als Amtsträger zu gelten habe, wie solle das dann sein Mandant Meys gewusst haben. Zumal die Rechtsprechung inzwischen weiter sei, als noch vor sechs Jahren - jenem Zeitraum, in dem die "Provisionen" vereinbart und gezahlt wurden.

In zwei Punkten widerspreche das "Fernwärme-Urteil" des BGH dem Grundgesetz. Zum einen müssten Gesetze so verständlich formuliert sein, dass ihre Adressaten sie auch unmissverständlich verstünden. Ansonsten widersprächen sie dem Bestimmtheitsgrundsatz. Im vorliegenden Fall sei auch der Gleichheitsgrundsatz tangiert. Denn anders als bei Richtern und Beamten würden Geschäftsführer wie Meys nicht durch einen öffentlich-rechtlichen Bestellungsakt an ihre besondere Position als Amtsträger erinnert. Insofern hatte "mein Mandant auch kein Unrechtsbewusstsein", meinte Rechtsanwalt Weider.

Das sieht die Staatsanwaltschaft freilich anders. Wie berichtet, hatte Florian Geßler nach seinem Plädoyer vor zwei Wochen für Meys einen Haftstrafe von sechseinhalb Jahren gefordert. Er sieht die Trienekens-Zahlung als Schmiergeld für einen Amtsträger. Das ist laut Strafgesetzbuch mit einer Mindeststrafe von einem Jahr bedroht. Für entsprechende Zahlungen an einen Privatmann ist keine Mindeststrafe festgelegt.

Und so wird es interessant werden, wie die Wirtschaftsstrafkammer diese Auseinandersetzung in ihrem Urteil bewertet. Freilich dürfte die Forderung nach einem Gang zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe vom Landgericht verworfen werden, hatte doch das erste Plädoyerthema kaum inhaltliche Überraschungen geboten.

Das Plädoyer der Verteidigung geht am Donnerstag um 12.30 Uhr in Saal S 1.20 im Bonner Landgericht weiter. Das Urteil ist für den 13. Dezember zu erwarten.

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