Medinghoven soll kein Getto werden

Einige Bewohner rund um den Europaring müssen zur Miete vielleicht zuzahlen - Die Stadt befürchtet, dass Betroffene wegziehen

  Um ausgewogene Nachbarschaften  in Medinghoven geht es der Stadt. Sie steht bezüglich der Mieten in Verhandlung mit dem Bund.

Um ausgewogene Nachbarschaften in Medinghoven geht es der Stadt. Sie steht bezüglich der Mieten in Verhandlung mit dem Bund.

Foto: Malsch

Medinghoven. Zurzeit erhalten viele Medinghovener Post und erleben vielleicht bald schon eine böse Überraschung: Da sie öffentliche Förderungen für ihre Wohnungen erhalten, müssen sie Auskünfte über ihr Einkommen angeben. Ist das höher als früher, müssen sie vielleicht schon bald selber etwas zur Miete beisteuern. Wer da nicht mitspielt, zieht vielleicht bald schon weg. Die CDU ist alarmiert: Sie befürchtet einen sozialen Abrutsch des Viertels und bringt das Thema in der Bezirksvertretung Hardtberg auf die Tagesordnung.

Seitdem viele Bundesbedienstete durch die Verlagerung des Regierungssitzes nach Berlin den Stadtbezirk verlassen haben, sind vor allem sozial Schwächere nach Medinghoven gezogen. Jetzt geht es der Stadt vor allem darum, dass die Häuser dauerhaft in Stand gehalten werden, dass es soziale Integration gibt, und dass sich das Wohnumfeld auf Dauer bessert.

Die Stadt verfolgt deshalb die Idee, dass plötzlich Besserverdienende erst einmal keine Ausgleichszahlung für ihre geförderte Miete (auch Fehlbelegungsabgabe genannt) zahlen müssen. Ansonsten könne es passieren, so Monika Frömbgen vom Presseamt, dass einige Medinghovener ihr Umfeld verlassen. Sie würden dann vielleicht woanders hinziehen, wo sie genauso viel Miete zahlen.

Übrig bleibt, wer sich einen Umzug nicht leisten kann. Die Verwaltung befürchtet, dass sich der Ort mehr und mehr zu einem Getto entwickelt. Dann müsste dorthin ein Sozialarbeiter entsandt werden, und der bräuchte auch ein Büro, sagt Birgitta Jackel (CDU). "Das ist viel zu teuer." So sieht das auch die Verwaltung: Es sei für den Steuerzahler am Ende günstiger, wenn weniger Fehlbelegungsabgabe kassiert, aber dafür das Geld für Sozialarbeit gespart wird.

Für die Stadt ist es erst einmal leicht, auf die Abgabe zu verzichten. Denn das Geld geht direkt ans Land, wo es für Wohnungsbauförderung verwendet wird. Doch so leicht ist es gar nicht mit der Entscheidung in Medinghoven: Die Stadt unterhält dort 154 öffentlich geförderte Wohnungen. 829 weitere unterliegen der Zuständigkeit der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BAI). Die hat jüngst die Briefe an die Medinghovener geschickt.

Bisher hat die Stadt nämlich noch keine Zusage der BAI, dass sie sich ihrem Vorschlag anschließt, die Abgabe für einen befristeten Zeitraum auszusetzen. Was nämlich nicht geht: Die Mieter der städtischen Wohnungen werden von der Fehlbelegungsabgabe befreit, und die Nachbarn nebenan in Bundeswohnungen müssten zahlen.

So gilt es nun, vernünftig abzuwägen: Auf der einen Seite reißen nicht gezahlte Fehlbelegungsabgaben Löcher in die Kassen. Deshalb zeigt sich auch die BAI äußerst zurückhaltend. Auf der anderen Seite kosten Sozialgettos ebenfalls Geld. "Das sind Steuergelder, über die wir reden", sagt Jackel. Der Stadt geht es vor allem darum, für die Menschen das passende Umfeld zu finden, damit bei den geförderten Wohnungen (Bonn hat 13 000 davon) ausgewogene Nachbarschaften entstehen. So ist die Stadt seit 1998 recht gut mit dem Kriterienkatalog zur Belegung von Sozialwohnungen gefahren.

Als nächstes steht gegen Ende August ein Verhandlungsgespräch zwischen Stadt und BAI an, wo es erneut um die Fehlbelegungsabgabe geht. Die Bezirksvertretung Hardtberg beschäftigt sich dann am 30. August mit Medinghoven, der Sozialausschuss am 7. September.

Medinghoven in Zahlen

Im Stadtteil existiert ein buntes Nebeneinander: 36,8 Prozent der Bevölkerung dort sind Zuwanderer. Es gibt 81 verschiedene Nationalitäten, wie Bonns Chefstatistiker Klaus Kosack mitteilt. Spitzenreiter sind dabei die Russen (229 wohnen dort) und Kasachen (201, alles Stand Ende 2004). Zudem leben in Medinghoven Syrer, Türken, Iraner und viele mehr.

13,2 Prozent der im Ortsteil lebenden Deutschen sind Aussiedler. "Mit diesem Verhältnis belegt Medinghoven den ersten Platz in Bonn im Vergleich zu den anderen statistischen Bezirken", sagt Kosack. Mit 18,4 Prozent ist die Arbeitslosigkeit recht hoch. Vor allem Jugendliche suchen einen Job. Im Schnitt steht jedem Medinghovener 35,9 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung - andere Bewohner in Hardtberg haben rund 40 Quadratmeter.

Fast jeder Fünfte (19,3 Prozent) erhält Wohngeld, jeder Achte bekommt Hilfe zum Lebensunterhalt über Hartz IV. Bei Medinghoven handelt es sich um einen recht jungen Bezirk: Jeder Vierte ist unter 18 Jahre alt, der Altersschnitt liegt bei 37,7 Jahre. In dem Stadtteil stehen 425 Gebäude mit 1 636 Wohnungen. Das Mietniveau liegt um 0,8 Prozent höher als im restlichen Bonn - wohl nicht unüblich im geförderten Wohnungsbau, wo öffentliche Gelder des Steuerzahlers im Spiel sind.

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