Maria Buchholz-Engels: "Schuld sind die hohen Erwartungen"

Ab Freitag sind die Leitungen frei beim Zeugnistelefon des Kreises. Wer Probleme mit Schulnoten und Versetzung hat, kann sich bei Maria Buchholz-Engels melden.

Ab Freitag sind die Leitungen frei beim Zeugnistelefon des Kreises. Wer Probleme mit Schulnoten und Versetzung hat, kann sich bei Maria Buchholz-Engels melden. Mit der Psychologin sprach Jörg Manhold.

General-Anzeiger: Für wen ist das Zeugnistelefon gedacht?

Maria Buchholz-Engels: In erster Linie für Eltern und Erziehungsberechtigte, es ist aber auch offen für Schüler. Seit den Anfängen vor 25 Jahren, waren es aber hauptsächlich die Eltern, die Rat suchten. Andere Angebote wie das Sorgentelefon oder die "Nummer gegen Kummer", wenden sich speziell an Kinder und Jugendliche.

Meinung Lesen Sie dazu auch " Nicht zu lange warten"GA: Wie viele Mitarbeiter haben Sie am Telefon sitzen?

Buchholz-Engels: Die Anrufe kommen zunächst im Sekretariat an. Wir haben bewusst keine Hotline eingerichtet, weil die Erfahrung zeigt, dass die Ratsuchenden auch Tage und Wochen später noch anrufen, und dann wäre so eine Nummer schon abgeschaltet. Wir haben pro Schicht immer zwei Kollegen am Telefon. Das können wir spontan auch erweitern, da sind wir flexibel. Art und Dauer der Gespräche sind sehr unterschiedlich. Unser Ziel ist, dass jeder Anrufer inb nerhalb von fünf bis zehn Minuten einen Rückruf bekommt.

GA: Behandeln Sie die Anrufe vertraulich?

Buchholz-Engels: Ja, wir fragen lediglich einige Dinge nach für unsere statistische Auswertung. Wir können Telefonate auch komplett anonym führen. Wenn es um Beschwerden über Schulen geht, bleibt der Name der Schule meist ungenannt.

GA: Mit welchen Problemen melden sich die Eltern bei Ihnen?

Buchholz-Engels: Es dreht sich hauptsächlich um Fragen, die sich aus dem Scheitern eines Schülers in einer Schulform ergeben. Auch wenn schon länger klar ist, dass ein Kind voraussichtlich die Schule verlassen oder die Schulform wechseln muss, reagieren viele Eltern erst, wenn sie es Schwarz auf Weiß in den Händen halten. Vordergründig geht es dann zunächst um die Frage, was man tun kann, um die Schullaufbahn des Schülers zu retten. Im Gespräch kommt dann oft heraus, dass es Hintergrundprobleme gibt. Etwa, dass sich ein Jugendlicher schon länger allen Unterstützungsbemühungen der Eltern und Lehrer verweigert. Oft sind die Probleme schon lange von Seiten der Schule angesprochen worden.

GA: Haben Sie Patentrezepte?

Buchholz-Engels: Nein! Das Problem ist auch, dass die Fragestellungen Jahr für Jahr schwieriger werden. Wie gesagt, wenn die Menschen zu uns kommen, versuchen wir häufig Probleme zu lösen, die schon lange existieren und immer wieder verschoben wurden. Bis ein Schüler beispielsweise die Schulform wechseln muss, ist er ja meist schon sitzengeblieben, hat eventuell eine Nachprüfung gemacht, hat sich lange durchgehangelt, bis es plötzlich nicht mehr geht.

GA: Wie kommt es, dass Probleme nicht früher auffallen?

Buchholz-Engels: Sie fallen ja oft schon früh auf! Für viele Eltern hat Bildung heutzutage einen ganz großen Stellenwert. Sie identifizieren sich sehr mit dem Schulerfolg ihrer Kinder. Wenn's hakt, dann organisieren sie zunächst Nachhilfe oder anderes. Dabei geht oft der Blick dafür verloren, was Kinder leisten oder aus eigener Kraft schaffen können. Häufig treten die Schulprobleme im Zusammenhang mit großen familiären Belastungen auf und den Kindern fehlt die Zeit und Unterstützung von ihren Eltern.

GA: Mit welchen Themen wenden sich die Eltern noch an Sie?

Buchholz-Engels: Da gibt es Fragen zu Sinn und Unsinn von Nachprüfungen. Oder die Frage, ob man Noten oder Formulierungen auf dem Zeugnis anfechten kann. Das sind formale Fragen, da verweisen wir die Eltern weiter an die Schulaufsicht oder das zuständige Schulamt. Immer wieder sind wir auch Prellbock für Enttäuschungen und Ärger über Zeugnisinhalte.

GA: Was ist heutzutage das Kernproblem der Schüler?

Buchholz-Engels: Die hohen Erwartungen der Eltern, der Druck in der Schule und die oft ungewisse Perspektive!

GA: Wie wird das Angebot des Zeugnistelefons angenommen?

Buchholz-Engels: Über die Jahre kommen zum Schuljahresende zwischen 30 und 40 Anrufe an. Die Zahlen sind relativ konstant, obwohl es inzwischen zahlreiche ergänzende Angebote gibt.

GA: Wie können Sie helfen?

Buchholz-Engels: Wir hören erst einmal zu. Wenn möglich versuchen wir schnell eine neue Sichtweise auf das Problem herbeiführen. Das ist das A und O. Ziel ist es, Lösungswege aufzuzeigen.

GA: Was raten Sie Eltern und Schülern bei schlechten Noten?

Buchholz-Engels: Wenn ein Kind schlechte Noten mit nach Hause bringt, dann muss man betrachten, wie es dazu gekommen ist. Wir sind da nicht schnell mit Ratschlägen bei der Hand, sondern entwickeln erste individuelle Lösungsschritte. Wir analysieren die Lernbiografie und überlegen, ob möglicherweise eine Überforderung oder eine Teilleistungsschwäche vorliegt und eine schulpsychologische Testuntersuchung anzuraten ist. Sehr häufig nehmen Eltern dann auch weiter gehende Beratungsangebote an

GA: Gibt es auch E-Mail-Beratung?

Buchholz-Engels: Ja, Eltern können sich auch bei uns melden unter schulpsychologischer.dienst@rhein-sieg-kreis.de

Zur PersonMaria Buchholz-Engels wurde 1951 in Paderborn geboren. Die Diplom-Psychologin ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie ist seit 1977 beim Rhein-Sieg-Kreis beschäftigt und zurzeit Leiterin des Schulpsychologischen Dienstes und der Erziehungsberatung.

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