Flüchtlinge in Bornheim "Manchmal hilft es, einfach nur da zu sein"

Bornheim · Zahlreiche Ehren- und Hauptamtliche kümmern sich um die Flüchtlinge in der Bornheimer Notunterkunft.

 Es geht auch mal ausgelassen zu: Isabelle Lütz tanzt mit Flüchtlingen in der Notunterkunft.

Es geht auch mal ausgelassen zu: Isabelle Lütz tanzt mit Flüchtlingen in der Notunterkunft.

Foto: Antje Jagodzinski

Warten. Nach Tagen und Wochen. Warten darauf zu wissen, wie es weitergeht. Mit dem eigenen Leben, der Familie, den Kindern, den Freunden. Nichts als warten können die Flüchtlinge, die in der Turnhalle der Bornheimer Johann-Wallraf-Grundschule eine vorübergehende Bleibe gefunden haben. Eine beengte Bleibe mit Doppelstockbetten in kleinen Quartieren, in denen Trennwände mit weißen Folien als Synonym für Privatsphäre stehen. Um das Warten für die rund 150 Menschen, die vorwiegend aus Syrien, Afghanistan und Afrika kommen, so erträglich wie möglich zu gestalten, setzen sich zahlreiche Menschen ein - beruflich, aber auch privat. Und dann kann es auch schon mal richtig fröhlich zugehen, wie an diesem Tag.

Musik ertönt aus der Halle. Männer, Frauen und Kinder halten sich an den Händen und tanzen im Kreis, klatschen und lachen. Mittendrin ist Isabelle Lütz. Wenn die 58-Jährige die Notunterkunft betritt, ist sie schnell umringt von Menschen, viele kennen und schätzen ihre herzliche Art. Die Mertenerin engagiert sich nicht nur in der Flüchtlingshilfe in ihrem Wohnort, sondern hat auch die Koordinierung der ehrenamtlichen Hilfe übernommen, als klar war, dass Bornheim eine Notunterkunft für das Land einrichten soll. "Ich bekomme jeden Tag ein, zwei Anfragen von Leuten, die helfen wollen", erzählt sie. Mehr als 300 Namen habe sie inzwischen auf ihrer Kontaktliste verzeichnet. "Aber wir wollen kein Strohfeuer, wir wollen, dass sich etwas einspielt, das auf Dauer funktioniert", betont Lütz, die auch als Ansprechpartnerin und Bindeglied zur Stadt fungiert.

Für die hatten Sozialdezernent Markus Schnapka und die Mitarbeiter des Sozialamts um Leiter Herbert Meyer sowie Stellvertreter Thomas Mandt binnen weniger Tage die Turnhalle für die Ankunft der ersten Flüchtlinge am 20. August umfunktionieren müssen. Schon bei der Aufnahme der Menschen damals wirkten zahlreiche Bornheimer, aber auch städtische Mitarbeiter freiwillig bis in die Nacht mit. Kurzfristig beauftragte die Stadt keine zwei Wochen später zwei Sozialarbeiterinnen, die sich um den Aufbau einer psychologischen Betreuung, aber auch um Beschäftigungsangebote für die Flüchtlinge wie Handarbeiten bemühen. Wie Schnapka betont, laufe die Arbeit der haupt- und ehrenamtlichen Helfer "Hand in Hand". Und das manchmal im wahrsten Sinne des Wortes: Denn kaum ausgesprochen, finden sich der Dezernent und der Sozialamtsleiter auch schon in der Reihe der tanzenden Menschen wieder.

Unter denen ist auch Luzia Hofmann. Die 47-Jährige, die beruflich energetisches Coaching anbietet, koordiniert in Zusammenarbeit mit Isabelle Lütz den Einsatz der ehrenamtlichen Helfer in der Turnhalle. So gebe es eine Gruppe, die sich vor allem um Kleiderspenden kümmere, eine fürs Deutschlernen und eine für die Kinderbetreuung, schildert Hofmann. Vieles der Organisation laufe über ein Handy-Chatprogramm, zudem gebe es Einsatzpläne. Zwei bis fünf Personen je Vormittag und je Nachmittag sollen vor Ort sein. "Basteln, Fußballtraining, zu Fahrten zum Amt oder zum Arzt begleiten oder einfach schauen, was es für Bedürfnisse gibt", zählt Hofmann Aufgaben auf. "Manchmal geht es auch einfach nur darum, da zu sein und zuzuhören", ergänzt Lütz.

Das Zuhören übernehmen vor allem diejenigen Ehrenamtlichen, die selbst einen Migrationshintergrund haben und die Sprache mancher Flüchtlinge kennen, wie Suzan Salahie, die aus Syrien stammt. Seit drei Jahren lebt die 19-Jährige in Deutschland, spricht fließend Deutsch und Arabisch und beginnt gerade ihr Studium der Betriebswirtschaft. "Die größte Sorge der Menschen ist, bis wann sie hier bleiben", erzählt sie. "Wann dürfen wir arbeiten? Wann dürfen unsere Kinder zur Schule?" seien weitere Fragen, die die Menschen bewegten. Manchmal sei es eben auch einfach langweilig. Für Kinder gebe es viele Angebote, die Erwachsenen vermissten zum Teil aber auch Beschäftigung.

So bieten Lehrkräfte des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums Kindern aus der Notunterkunft zwei Mal in der Woche für eineinhalb Stunden ein musikalisches, handwerkliches, sportliches und sprachnahes Programm in der Schule. Aber auch in der Turnhalle üben Ehrenamtliche wie Lea Schmitz (16) und Miriam Fontes (17) mit den Menschen Deutsch. Für einen Euro konnten die Flüchtlinge ein Lernheft erwerben - der Wertschätzung halber gab es diese nicht umsonst. "Aber so viele sind dankbar, dass ihnen geholfen wird", erzählen die beiden Schülerinnen aus Brühl, die gerade ihr Sozialpraktikum absolvieren und im Anschluss weiter helfen kommen wollen. "Die Menschen hier sind total freundlich", findet Miriam, "und ich bewundere, dass sie glücklich sind, obwohl sie so Schlimmes erlebt haben."

Doch es gibt natürlich auch die traurigen Momente - und wenig Rückzugsmöglichkeiten dafür. "Wir bemühen uns zum Beispiel, wenn die Eltern niedergeschlagen wirken, uns um die Kinder zu kümmern", berichtet Rafaela Krey (24), Einsatzleiterin der Malteser, die für die medizinische und soziale Betreuung vor Ort zuständig sind. Sie nehmen zum Beispiel auch die Anmeldungen für die Sprechstunde an, die Hausärzte zwei Mal wöchentlich vor Ort anbieten. Und da sei die Unterstützung der ehrenamtlichen Dolmetscher auch Gold wert, sagt Krey. Und wie belastend ist das Engagement für die Helfer in der Notunterkunft? "Wenn man helfen kann, denkt man da nicht so drüber nach, als wenn man eine Situation erleiden muss. Ich sehe das hier einfach als Riesenaufgabe", sagt Isabelle Lütz, und Luzia Hofmann ergänzt: "Ich opfere hier nicht meine Zeit. Ich unterstütze die Menschen, und das kommt tausendfach zurück."

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