Nach Sex mit Schülerin Lehrer verklagt Vater des Opfers

LINZ · Der Fall schien zumindest juristisch abgeschlossen. Doch noch immer ist der jungen Frau, die 2007 als 14-Jährige vom seinerzeit 32-jährigen Lehrer ihrer Parallelklasse zum Sex verführt worden war und therapeutisch betreut werden muss, und ihrer Familie keine Ruhe vergönnt. Vor dem Amtsgericht Linz sollte nun aber nicht der Pädagoge, sondern auf dessen Betreiben hin der Vater des Opfers auf der Anklagebank sitzen.

Grund: Persönlichkeitsverletzung und Unterlassung. Zur Verhandlung kam es nicht. Vielmehr wurde der Rechtsstreit beiderseitig für erledigt erklärt.

Mit Folgen allerdings für den Pädagogen: Der heute 37-Jährige muss die Kosten des Verfahrens tragen. Das bestätigte gestern die Linzer Amtsgerichtsdirektorin Christine Arck auf GA-Anfrage. Zudem ließ der Linzer Richter mit einer Begründung zu diesem Beschluss aufmerken, die dem OLG-Freispruch des Lehrers zuwider läuft. Das Vertrauen der Sorgeberechtigten, ließ der Linzer Richter durchblicken, umfasse als "Mindeststandard, dass sich ein Mitglied des Lehrerkollegiums nicht mit einem minderjährigen Schüler im Putzraum treffe, um sexuelle Handlungen vorzunehmen".

Der zugrunde liegende Fall und das OLG-Urteil sorgen nach wie vor für Empörung. Wie berichtet, hatten der Lehrer für katholische Religion, Mathematik und Englisch aus dem nördlichen Kreis Neuwied und die damals 14-jährige Schülerin seiner Parallelklasse sich bei einer Schulfahrt nach Hamburg näher kennengelernt. Von Januar bis Mai 2007 kam es immer wieder zum Sex, eben im genannten Schul-Putzraum, aber auch in der Wohnung des verheirateten Lehrers, wenn dessen Frau nicht zu Hause war.

Durch SMS aufgeflogen

Die Sache flog durch eine zufällig gelesene SMS auf; die Familie zog vor Gericht. Zweimal wurde der bis heute suspendierte Lehrer verurteilt. Aber: Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz sprach ihn in dritter und letzter Instanz vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener frei. Begründung: Er sei nicht Klassen-, sondern nur Vertretungslehrer des Mädchens gewesen. Ein Obhutsverhältnis, ein direktes Abhängigkeitsverhältnis, habe nicht bestanden. Grundsätzlich gilt, dass ein sexuelles Verhältnis wie hier zwischen einer 14-Jährigen und einem 32-Jährigen in Deutschland nicht strafbar ist, solange kein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Das Urteil schlug hohe Wellen - auch in die Politik. Die Frage nach Neudefinition des Obhutsverhältnisses steht im Raum.

Vor dem Linzer Amtsgericht indes ging es um etwas ganz anderes: Der Pädagoge strengte ein zivilrechtliches Verfahren gegen den Vater des Mädchens an, nachdem ein Vertrag über einen Job als Discjockey nicht zustande gekommen war. Den Schuldigen dafür machte der Lehrer im Opfervater aus, der den Kirmes-Veranstalter angeblich über die Identität hinter dem DJ-Pseudonym aufgeklärt haben soll. Auch dürfe er nicht als Straftäter bezeichnet werden: Schließlich habe das OLG ihn freigesprochen, so der Lehrer.

Erfolglose Klage

Der Linzer Richter, der nach der "Erledigungserklärung" nur über die Kosten des Verfahrens zu befinden hatte, sah das anders, so Arck. Er befand: Gegenüber Dritten sei der Begriff Straftäter zulässig wegen der "unstrittigen und in Urteilen" des Neuwieder Amts- und des Koblenzer Landgerichtes "festgestellten Handlungen". In seiner Begründung dazu, warum die Klage des Lehrers gegen den Opfervater keinen Erfolg gehabt habe und er somit die Verfahrenskosten tragen muss, befand der Richter: Zwar gehe das OLG zutreffend davon aus, dass ein Obhutsverhältnis zwischen Lehrer und Schüler immer eine Frage des Einzelfalls sei.

Aber: Hier handele es sich um eine Schule überschaubarer Größe mit naturgemäß engeren Kontakten. Auch hätten sich Schülerin und Lehrer auf einer Schulfahrt kennengelernt. Nicht zuletzt sei das Mädchen dem Pädagogen in Vertretungsstunden und Pausen anvertraut gewesen. Ein solches "Über- und Unterordnungsverhältnis" ende nicht nach der letzten Vertretungsstunde.

Ob dies das letzte juristische Kapitel in der Sache war, ist offen. Wie Oberstaatsanwalt Hans Peter Gandner gestern bestätigte, ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen den 37-Jährigen erneut wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs. Wie berichtet, soll sich der Lehrer auch der älteren Schwester der Schülerin genähert haben. Laut Gandner dauerten die Ermittlungen an. Ob Anklage erhoben werden wird, sei offen.

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