Leben mit Lehm

Wolfgang Schlagwein aus Bad Neuenahr setzt in seinem runden Haus auf natürliche Baustoffe. Und zum großen Kreis kommt noch ein kleiner, der Anbau. Acht Meter hoch ist der Eichenstamm, der mitten im offenen Haus das Dach trägt.

Leben mit Lehm
Foto: Günther Schmitt

Bad Neuenahr. Zwei Kreise, ein Haus. So lässt sich die Architektur des Hauses auf einen Nenner bringen, in dem der Bad Neuenahrer Wolfgang Schlagwein lebt. Es ist ein Haus, das äußerlich durchaus an das Domizil der Familie Feuerstein erinnert. Es ist rund.

Und zum großen Kreis kommt noch ein kleiner, der Anbau. Acht Meter hoch ist der Eichenstamm, der mitten im offenen Haus das Dach trägt. Er stammt aus dem Sinziger Stadtwald, ist mit fast einem halben Meter Durchmesser Blickfang und Stütze zugleich. Direkt neben ihm führt eine Treppe mit dicken Eichenbohlen zur halbmondförmigen Empore. Offenheit und Licht prägen das "Haupthaus", dem sich als kleiner Kreis Schlafzimmer und Bad angliedern.

Draußen ist es warm, drinnen ist es angenehm frisch. "Das kommt von der Isolierung, aber auch vom Lehm", sagt Schlagwein, der sich seit 30 Jahren politisch engagiert und als Vordenker der Grünen im Kreis Ahrweiler gilt. "Lehm schafft Klima", erläutert der 54-Jährige und verweist dabei auf die Wohnqualität alter Fachwerkhäuser: "Im Sommer schön kühl, im Winter mollig warm."

Es war der Heimersheimer Architekt Udo Heimermann, der vor zwölf Jahren Schlagweins Traum vom organischen Bauen umsetzte, Lehm und Holz als heimische Baustoffe favorisierte. So ist nicht nur das Emporengeländer mit Lehm ummantelt, als Lehm-Schlaufen wurden auch Schränke, Sitzecke und sogar der Bettrahmen modelliert. Der Vorteil: Lehm ist wieder verwendbar.

Einmal nass machen, und schon kann die Form verändert werden. Organisch sind natürlich auch die Farben im Haus. Sie basieren auf Kasein, einer Art Quark mit natürlichen Pigmenten. Da darf Kater Romulus ruhig dran kratzen, ein Strich Farbe und alles ist wie neu.

Ein Haus mit einzigartiger Wohnqualität. Einen Fernseher sucht man bei Schlagwein übrigens vergebens. Der Blickfang seines Wohnzimmers ist der große Ofen, dessen Gehäuse natürlich auch mit Lehm gestaltet wurde. Mit ihm kann spielend das ganze Gebäude beheizt werden.

Die passende Ergänzung zur Fußbodenheizung, deren Pelletbrenner übrigens im energetisch komplett sanierten Vorderhaus an der Straße steht. "Nahwärme im Kleinformat", meint denn auch Schlagwein, der vorne auf dem Dach seines Elternhauses alles, was die Solartechnik hergibt, installiert hat.

Solarkollektoren ergänzen die Pellet-Heizung, und seine Fotovoltaikanlage produziert mit 2 000 Kilowattstunden pro Jahr das Doppelte seines eigenen Verbrauchs. Das Vorderhaus aus den 1950er Jahren ist jetzt fast ein kleines Kraftwerk. Würde er anders wohnen wollen? Nein, denn Wolfgang Schlagwein lebt seine Ideale vor.

Überall verfügbar, lange haltbar - Lehm erlebt Renaissance##ULIST##

Organische Architektur setzt auf die Harmonie von Gebäude und Landschaft. Dazu kommt im Sinne des ökologischen Bauens das Verwenden entsprechender Materialien wie Naturstein, Lehm und nachwachsende Rohstoffe, etwa Schilf oder Holz. Es gibt keine vorgegebenen äußeren Stilmittel. Maßgebend sind Proportionen und Formenvielfalt.

  • Lehm als Baustoff ist im Industriezeitalter in Vergessenheit geraten. "Noch vor zehn Jahren war es exotisch, damit zu bauen", sagt Stephan Jörchel vom Dachverband Lehm, einem bundesweiten Netzwerk von Lehmbaubetrieben. "Mittlerweile hat man Lehm wieder entdeckt. Bei der Wärmedämmung kann man ihn gut mit Naturfasern wie Holz und Schilf kombinieren." Lehm sei ein guter Wärmespeicher. Weitere Vorzüge seien die lange Haltbarkeit, die Flexibilität, die regional gute Verfügbarkeit sowie der geringe Energieaufwand bei der Aufbereitung. Die Nachteile: Lehm sei im Außenbereich "nur bedingt einsetzbar", so Jörchel. Außerdem trockne er langsamer aus als herkömmliches Material, so dass sich die Bauzeit verlängere.
  • Voraussetzungen und Verfügbarkeit: "Lehm kann man in allen Gebäuden einsetzen, wobei man beim Neubau flexibler ist", so Jörchel. In feuchten Räumen wie Bad oder Küche müsse eine mit Lehm verputzte Wand imprägniert werden. Der Baustoff sei in Baumärkten und im ökologisch orientierten Handel erhältlich. Das Angebot reicht vom behandelten Rohlehm bis zu Lehmbauplatten (www. dachverband-lehm.de). GS/pd
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