Satireabend in Rheinbreitbach „Kant hätte geweint“

RHEINBREITBACH · Der Journalist, Redner und Kabarettist Klaus-Ulrich Moeller unterhält bei seiner Lesung in der Oberen Burg. Mit spitzer Zunge teilt er im Rahmen der 15. Westerwälder Literaturtage Hiebe gegen Politik, Business und Gesellschaft aus.

 "Niemand will typisch deutsch sein": Klaus-Ulrich Moeller bei seinem Auftritt in Rheinbreitbach.

"Niemand will typisch deutsch sein": Klaus-Ulrich Moeller bei seinem Auftritt in Rheinbreitbach.

Foto: Frank Homann

Deutschland soll das beliebteste Land der Welt sein? Ausgerechnet das Land, das, sollte es jemals eine Raumsonde ins All schicken, um Außerirdischen einen Eindruck vom hiesigen Leben zu vermitteln, von einer 22-seitigen Schankerlaubnis, einer Beschwerde wegen Kirchenglockenläutens und mehreren Blankoformularen für weitere Beschwerden repräsentiert würde? Doch, tatsächlich.

So lautete zumindest in den Jahren 2013 und 2015 gleich zwei Mal das Ergebnis einer Umfrage der britischen BBC. Keine Frage also, die Deutschen sind beliebt. Aber was in aller Welt, fragte Klaus-Ulrich Moeller bei seiner Satire-Lesung in der Oberen Burg, hat dazu führen können? Die Deutschen selbst in all ihrer Deutschheit könnten es ja nicht gewesen sein.

Vielleicht stecke ja der demografische Wandel dahinter, mutmaßte der Journalist, Redner und spitzzüngige Satiriker, der im Rahmen der 15. Westerwälder Literaturtage unter dem Motto „Kant hätte geweint“ aus seiner gleichnamigen Kolumnensammlung vorlas und dabei die Absurdität des Alltags in deftige Häppchen filetierte.

Es sei ja denkbar, dass die Deutschen gerade die Tatsache, dass sie von Jahr zu Jahr immer weniger würden, so sympathisch mache: „Die Welt findet's super, dass wir irgendwann alle weg sind.“ Nein? Nun gut, möglicherweise sei lediglich das traditionell schlechte Abschneiden bei den PISA-Tests für die globale Sympathiewelle verantwortlich, nach dem Motto „dumm, aber sympathisch“.

Vielleicht, resümierte Moeller, sei die Welt aber auch deshalb so gut auf Deutschland zu sprechen, weil die Bevölkerung nicht zuletzt aufgrund der hohen Einwanderungszahlen immer weniger deutsch geworden sei. „Wir wollen immer anders sein als unser Ruf, denn ehrlich gesagt will niemand typisch deutsch sein“, so der Satiriker. „Für die Sympathie, die man uns entgegenbringt, müssen demnach andere verantwortlich sein.“

Die Perspektive eines klugen Manns aus Königsberg

Eine Symbiose aus klassischer Lesung und anspruchsvoller Comedy voller spitzer Hiebe gegen Politik, Business und Gesellschaft erwartete die mehreren Dutzend Gäste. Stichwort: PISA-Studie. Um die üblichen Grundfertigkeiten sei es nicht gerade blendend bestellt, aber vor allem werde das Denken überhaupt nicht mehr abgefragt. Wer erkläre den Nicht-Denkenden eigentlich die Welt? Zum einen die Fußballer („Sie haben verloren. Warum?“ – „Die Tore haben heute das Spiel entschieden.“), andererseits die Philosophen.

Da habe es etwa einst einen klugen Mann aus Königsberg gegeben, der sagte: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“. Heutzutage, so Moeller, denke der Mensch jedoch fremd und übernehme das, was die Facebook-Timeline und Helene Fischer vordenken.

Und noch etwas Kluges habe dieser Philosoph von sich gegeben: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Der moderne Business-Mensch von heute wisse jedoch längst, dass Ausnahmen zum Leben dazugehören. Schließlich sei Uli Hoeneß selbstverständlich genauso wenig für Steuerhinterziehung wie das ZDF und der ADAC für Statistikfälschung, „aber in diesem einen besonderen, isolierten Fall wird man doch eine Ausnahme machen dürfen“.

Ja, monierte Klaus-Ulrich Moeller unter lautem Beifall: „Kant hätte geweint, wenn er gesehen hätte, was heute aus seinem kategorischen Imperativ geworden ist.“

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