Ungewöhnliche Theateraufführung Gefährliche Liebschaften im Erpeler Eisenbahntunnel

ERPEL · Prickelnde Intrigen und eine geniale Vorstellung des Ensembles „neues schauspiel koeln“ - da war die Gänsehaut im kalten Tunnelgewölbe Nebensache: Das Publikum bejubelte die Aufführung in der Sommertheater-Reihe des Vereins ad Erpelle.

 Gefährliche Liebschaften: Die auf das Ensemble zugeschnittene Theaterfassung begeisterte das Publikum im Tunnel.

Gefährliche Liebschaften: Die auf das Ensemble zugeschnittene Theaterfassung begeisterte das Publikum im Tunnel.

Foto: Frank Homann

175 Briefe, die zwei Intrigen am Vorabend der Französischen Revolution schildern: Choderlos de Laclos ging mit seinem 1872 erschienenen Roman „Gefährliche Liebschaften“ in die Weltliteratur ein. Aber wie bringt man diese Geschichte um Liebe, Verrat, Kränkung und Rache in den oberen Rängen der französischen Gesellschaft auf die moderne Theaterbühne? Der Gruppe „neues schauspiel koeln“ gelang eine besondere Adaption des Stoffes für die Theaterbühne. Und im Theater im Tunnel des Kunst- und Kulturkreises ad Erpelle fand die Schauspieltruppe auch ein außergewöhnliches Ambiente, das ihr freilich von ihren Aufführungen des „Jedermann“ und der Molière-Adaption „Die Geizige“ in den Vorjahren bereits bekannt war.

Ad Erpelle-Vorsitzender Edgar Neustein bedauerte nur, dass für dieses Stück das Interesse am Tunnel-Theater bei allen drei Aufführungen begrenzt war. Lob gab es dennoch: Von denen, die trotz Ferien gekommen waren, und auch von Walter Ullrich, Gründer und Leiter des Kleinen Theaters Bad Godesberg und Intendant der Landesbühne Rheinland-Pfalz, der den Akteuren um Regisseur Stefan Krause eine geniale Machart attestierte.

Schauspielern die Rollen auf den Leib geschrieben

Das Buch „Gefährliche Liebschaften“ dreht sich um die geplanten Verführungen von Cécile de Volanges, einem jungen, naiven Mädchen, das gerade die Klosterschule verlassen hat, und der tugendhaften Madame de Tourvel. Hanno Dinger hat es für das „neue schauspiel koeln“ umgeschrieben und stark dramaturgisch bearbeitet. 175 Briefe – das ist zuviel für einen Sommertheaterabend. Und so ließ Dinger Handlungsstränge weg, machte das Stück leichter, jedoch ohne es seiner Aussagen und seines Zaubers zu berauben, und er machte es, typisch „neues schauspiel koeln“, humor- und lustvoll. Dinger hatte bei dieser Aufgabe das Ensemble vor Augen, konnte quasi die Rolle für jeden Schauspieler maßschneidern. Er schuf eine Erzählerfigur für Ursula Wüsthof, die in Erpel schon die Geizige und den Tod spielte – Madame de Rosemonde, Tante des Verführers Vicomte de Valmont (Richard Hucke), der ebenso wie Marquise de Merteuil (Katrin Wolter) die Zügel der Intrigen führt. Beide fühlen sich im Stück nicht an moralische Normen gebunden und führen einen ausschweifenden Lebenswandel.

Für die Marquise ist die Verführung Céciles die Rache an ihrem ehemaligen Liebhaber, der sie wegen einer anderen Frau verlassen hat und mit Cécile ein noch jungfräuliches Mädchen heiraten will. Mit der Eroberung der prüden und treuen Madame de Tourvel möchte andererseits der Vicomte seinen Ruf als unwiderstehlicher Verführer unterstreichen. Eva Wiedemann gab dabei gekonnt die starke, aber auch zerbrechliche Madame de Tourvel – ein erotisches Pulverfass hinter der Fassade. Hucke und Wolter zeigten sich schauspielerisch hervorragend als Meister der Täuschung, kühl und ausgebufft. Leonie Houber als Cécile und Ritter Raoul Migliosi, ihr naiver Lehrer, verkörperten bravourös die willenlosen Spielfiguren der Intriganten. Ursula Wüsthof gefiel außerordentlich als süffisant-elegante Erzählerin; sie war selbst aufs Neue von dem tollen Klang und der Tiefe im Erpeler Tunnel begeistert. Ebenfalls in Aktion: Celina Engelbrecht als Céciles Mutter.

Szenerie in Weiß, Effekte mit farbigem Licht

Regisseur Stefan Krause gelang es, mit wenigen Mitteln und Requisiten diese Aufführung zum Erfolg zu führen. Die Inszenierung war komplett in Weiß gehalten – von der Kulisse bis zu sämtlichen Kostümen. Dabei wurden mit Licht besondere Effekte erzielt: Der Tunnel war in Blau getaucht; bei Liebesszenen etwa erfolgte der Wechsel zu Rot. Die Erpeler Bühne hat eine neue LED-Beleuchtung, und die Landesbühne, mit der die Zusammenarbeit noch verstärkt werden soll, ließ die eigene Beleuchtung für die Liebschaften stehen.

Für ad Erpelle beginnt die nächste Spielzeit im Mai/Juni 2018. Noch vor der Fußball-WM soll der Klassiker „Die Brücke“ am historischen Schauplatz im Tunnel gezeigt werden.

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