Politischer Streit im Kreis Neuwied Rüddels kehren Ortsgemeinderat Windhagen den Rücken

Windhagen · Kurz vor der Kandidatenkür der Windhagener CDU für die Kommunalwahl 2019 sagen drei Generationen der Familie Rüddel den Christdemokraten ab. Keinerlei Disput hingegen gibt es um die Ortsbürgermeister-Kandidatur.

Kaum einer – diesmal nicht-öffentlichen – Versammlung dürften die Mitglieder der CDU Windhagen in der Vergangenheit mit derart gemischten Gefühlen entgegen gesehen haben wie jener am Dienstagabend. Schließlich stand nicht nur die Nominierung eines Kandidaten an, der im Optimalfall die Nachfolge von Rekord-Bürgermeister Josef Rüddel (93) antreten soll. Es ging auch um den Versuch, die CDU nach den heftigen Verwerfungen der jüngeren Vergangenheit wieder in ein ruhiges Fahrwasser zu bringen.

Ob dies gelungen ist, wird sich aber erst im September zeigen, wenn die finale Liste für die Kommunalwahl 2019 aufgestellt wird. Fest steht: Der Bürgermeisterkandidat der CDU Windhagen heißt Martin Buchholz; die 50 anwesenden von 157 Mitgliedern hoben den 47-jährigen EDV-Berater mit großer Mehrheit auf den Schild. Und der Nachname Rüddel wird auf der CDU-Kandidatenliste für die Wahl 2019 nicht mehr vertreten sein – das erste Mal seit mehr als einem halben Jahrhundert.

Letzteres traf die CDU-Mitglieder überraschend, wie Buchholz, auch Vorsitzender des CDU-Gemeindeverbandes Windhagen, auf GA-Anfrage bestätigte. Denn: Nachdem CDU-Vorstand und Fraktion wie berichtet bereits eine Vorschlagsliste für die Mitgliederversammlung erarbeitet hatten, erklärten vier der darauf vertretenen Aspiranten kurz vor der Versammlung, nun doch nicht zur Verfügung zu stehen. Pikanterie dabei: Unter ihnen befinden sich Josef Rüddel, Bürgermeister seit 1963, sein Sohn, Bundestagsabgeordneter Erwin Rüddel, und sein Enkel Alexander Rüddel. Von der Möglichkeit, noch am selben Abend andere Kandidaten auf die Liste zu setzen, machte die CDU keinen Gebrauch. Stattdessen wurde beschlossen, die Nominierung der Kandidaten für den Orts- und den Verbandsgemeinderat sowie den Kreistag Neuwied auf nach der Sommerpause zu vertagen.

CDU soll wieder in ruhigeres Fahrwasser

Verbunden ist dies laut Buchholz mit der Hoffnung, dass die CDU die Diskussion der vergangenen Wochen bis dahin endgültig wird abschließen können. Buchholz: „Ich hoffe, dass wir uns wieder den wichtigen Sachthemen zuwenden können.“ Diese seien angesichts der Personaldiskussionen „zu sehr in den Hintergrund geraten“ – und hatten wohl auch das Vertrauen der Wähler angeknackst in eine Partei, die im Ortsgemeinderat aktuell zwölf der 20 Sitze hält und bei den letzten Wahlen 57,4 Prozent erhalten hatte.

Buchholz hebt damit ab auf den Streit zwischen Erwin Rüddel und dem langjährigen CDU-Fraktionschef Axel Schülzchen, der im ganzen Ort eine Diskussion um eventuelle persönliche Vorteilsnahme der Familie Rüddel ausgelöst hatte und die CDU an den Rand der Spaltung gebracht hat. Dem Vernehmen nach stand sogar eine unabhängige Liste im Raum. Im Kern ging es um die Schaffung von Baurecht für ein Grundstück von Erwin Rüddels Bruder, bei dem laut Schülzchen nicht nur von ihm persönlich „sehr weitgehende und durch den Rat kaum zu beeinflussende Bebauung eines Filet-Grundstücks“ befürchtet worden sei. Der Rat besserte nach, beschloss einen angepassteren Plan.

Mehrere Rücktritte nach Streit

Folge, so Schülzchen: Fortgesetze „Anfeindungen durch den Grundstückseigner“ und schließlich auch durch Erwin Rüddel. Letzterer habe sogar gefordert, die CDU solle Schülzchen nicht erneut für die Kommunalwahl aufstellen. Schülzchen folgerte in einer persönlichen Erklärung, es sei „offenbar unmöglich, sachgerechte Politik zu betreiben“, wenn man nicht bereit sei, Entscheidungen an den „persönlichen Interessen der Familie Rüddel zu orientieren“ – und gab Fraktionsvorsitz und Ratsmandat ab, ein Schritt, den viele CDU-Kollegen als großen Verlust werteten. Auch für Erwin Rüddel blieb die Angelegenheit nicht ohne Folgen: Der Bundestagsabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher seiner Fraktion in Berlin, der den Streit nicht dementierte und schließlich eingestand, in der emotionalen Auseinandersetzung einen Fehler gemacht zu haben, gab ebenfalls sein Mandat im Gemeinderat ab, nicht aber den CDU-Kreisvorsitz und weitere Mandate.

Eine potenzielle Gemeinderatskandidatur für 2019 schloss der Rückzug ebenfalls nicht ein: Auf der Vorschlagsliste, über die die Mitglieder nun hätten beraten und abstimmen sollen, stand nach wie vor der Name Erwin Rüddel – bis kurz vor Beginn der Versammlung. Buchholz: „Erneut standen wir damit vor einer völlig neuen Situation.“ Da der Rückzug von insgesamt vier potenziellen Kandidaten Auswirkungen auf die gesamte Liste habe, habe man sich entschlossen, erst nach der Sommerpause zu entscheiden. Buchholz: „Ich hoffe, dass sich die Lage jetzt beruhigt.“

Auch Schülzchen äußerte auf GA-Anfrage die Hoffnung, dass die CDU mit einer „breit aufgestellten Liste“ verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen könne. Ob sein eigener Name auf einer solchen Liste auftauchen könnte, ließ er allerdings offen. „Das ist alles noch zu frisch“, so Schülzchen zum GA. Erwin Rüddel teilte auf GA-Anfrage mit, sein Rückzug aus dem Gemeinderat sei seiner steigenden Verantwortung in Berlin und damit einer starken zeitlichen Beanspruchung geschuldet. „Das heißt natürlich nicht, dass ich an den Entwicklungen in meinem Heimatort nicht nach wie vor interessiert wäre.“ Zugleich sei er als Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit im Bundestag seit Januar noch stärker als bisher gefordert.

Josef Rüddel Bürgermeister seit 1963

Keine Überraschung ist, dass 2019 die Ära von Josef Rüddel als Bürgermeister enden wird: Bereits im Mai hatte er die CDU wissen lassen, dass er nicht mehr antreten wolle. Gerüchte, er habe sich das unterdessen anders überlegt, dementierte der 93-Jährige, so auch am Mittwoch auf GA-Anfrage. „Ich habe mir das reiflich überlegt. Man muss auch mal an sich selber denken“, so Josef Rüddel.

Buchholz geht derweil mit reichlich Rückenwind seiner Partei daran, Rüddels Nachfolge anzutreten. Buchholz ist seit etwa 13 Jahren aktiv in der CDU und Mitglied in den Vorständen nicht nur des Ortsverbandes Windhagen, sondern auch CDU-Gemeindeverbandes Asbach, des CDU-Kreisverbandes Neuwied sowie Mitglied des Kreisvorstands der Mittelstandsvereinigung der CDU (MIT).

Seit 2009 ist Buchholz zudem Mitglied im Gemeinderat, Beigeordneter mit dem Geschäftsbereich Jugend, Kultur, Soziales, Mitglied im Verbandsgemeinderat – wo er die Funktion eines von zwei stellvertretenden Fraktionssprechers der CDU inne hat - und Mitglied im Kreistag. Auch ist er Mitglied in der Gesellschafterversammlung des TZO Rheinbreitbach.

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