Kunst in Unkel Ein kleines, aber feines Kuriositätenkabinett

UNKEL · Jürgen Baas, Stephanie Brysch und Heidi Hildebrand stellen unter dem Motto „Déjà-vu“ in Unkel aus. In ihren Werken hauchen die drei Künstler gefundenen Dingen neues Leben ein und definieren sie neu.

 Jürgen Baas, Stephanie Brysch und Heidi Hildebrand (r.) zeigen einen Ausschnitt ihres Schaffens in Unkel in der Galerie "Kunst Faktor 20/21".

Jürgen Baas, Stephanie Brysch und Heidi Hildebrand (r.) zeigen einen Ausschnitt ihres Schaffens in Unkel in der Galerie "Kunst Faktor 20/21".

Foto: Frank Homann

Vom Lustigen Taschenbuch, das unter dem Titel „Die verlorene Welt“ eine gläsernen Vitrine in der Galerie „Kunst Faktor 20/21“ schmückt, ist nur ein nacktes Papierskelett übrig geblieben. Leer sind die Seiten, auf denen sich einst Donald Duck und Micky Maus tummelten, regelrecht ausgeweidet, jedes einzelne Comicpanel fein säuberlich aus seiner Umrandung herausgeschnitten. Eine einsame Figur klettert verunsichert aus der Trostlosigkeit des zerfledderten Buchs heraus, eine zaghafte Sprechblase über dem Kopf: „Soll das heißen, keiner von uns kann jemals wieder zurückkehren?“

Gefundenen Dingen neues Leben einhauchen, sie verändern und verwandeln, ohne dabei ganz die Seele des Ausgangsobjektes zu verlieren – darum geht es in der Ausstellung „Déjà-vu“, in der Jürgen Baas, Stephanie Brysch und Heidi Hildebrand im „Kunst Faktor 20/21“ eine Auswahl ihres Schaffens zeigen. „Déjà-vu“ – also kalter Kaffee, alles schon mal gesehen? Mitnichten. Denn hinter dem Titel dieser Schau, die Galerist Lars Ulrich Schnackenberg mit künstlerischem Fingerspitzengefühl zusammengestellt hatte, verbirgt sich ein kleines, aber feines Kuriositätenkabinett.

Pokémon in Wusel-Collagen

Nicht nur Lustige Taschenbücher, sondern die gesamte knallbunte Welt der Comics hatte es der Dortmunder Papierkünstlerin Stephanie Brysch angetan. In Kleinstarbeit fein säuberlich aus 35 Pokémon-Fanheften herausgelöst, schweben kleine Fantasiemonster vor weißem Hintergrund, nach Farbe und Form geordnet und auf Styropor-Türmchen zu dreidimensionalen Wusel-Collagen zusammengestellt. Fan der poppigen Anime-Biester ist Brysch, seit 2009 künstlerisch aktiv, selbst nicht: „Das kam alles nach meiner Teenager-Zeit.“ Charmant findet die Künstlerin, die früher selbst einmal Comiczeichnerin werden wollte, die Tierchen trotzdem. Die Comichefte, die sie als Materialvorlagen verwendet, werden komplett verarbeitet – jede einzelne Figur, und mag sie noch so winzig sein, findet sich später auf ihren Werken wieder. In einem völlig neuen Kontext, versteht sich.

Auf der anderen Straßenseite hat Jürgen Baas seine Kreationen aus allerlei Fundstücken im Glaskabinett von Kunsthandwerkerin Gabriela Mrozik ausgestellt. Ob am Rhein, auf dem Schrottplatz oder im Sägewerk – der Kölner, der sich seit über drei Jahrzehnten der Kunst widmet, aber nicht malen wollte, „weil es schon genug Maler gibt“, verwertet alles, was sein Interesse weckt. Sein Konzept: zusammenstellen, was eigentlich nicht zusammenpasst. Seine Installation „Kratzbock“ etwa vereint einen Aschekasten mit Teilen eines Rehbock-Geweihs und einer Stahlbürste; „Komme gleich wieder“ hat er hingegen ein Holzkreuz auf einem Stahlblock, von einer Miniaturjacke aus Filz umwickelt, betitelt. Ironische, manchmal gar politische Botschaften? „Das“, so Baas, „muss jeder für sich selbst entscheiden“.

Donald Duck emanzipiert sich

Komplettiert wird das Panoptikum von den Werken Heidi Hildebrands, die auf Reisen durch den Norden Europas Materialien sammelte – vorzugsweise an „Plätzen, auf die der Mensch nur wenig Zugriff hat“, etwa Strände, Wälder, unbewohnte Häuser. „Zigtausende Teile“ hat die gelernte Wissenschaftlerin, die erst jüngst an der Alanus-Hochschule ihren Bachelor of Fine Arts abschloss, schon in der Hand gehabt, darauf wartend, „dass mein inneres Messinstrument ausschlägt und sagt: Das passt zusammen“. „Ballzauber“ nennt sie etwa eine Zaubererpuppe aus dem Kasperletheater, die mit einer Gummidichtung in einen erschlafften Fußball gefesselt ist – ein augenzwinkernder Seitenhieb gegen die Omnipräsenz der liebsten Nebensache der Welt? Und daneben stemmt ein Donald-Duck-Figürchen en miniature ein im direkten Vergleich gigantisch anmutendes Paar pink-schwarzer Damenstiefel, aufgelesen auf der Isle of Skye, in die Höhe. Der Titel? „Emanzipation“. Die Interpretation aber überlässt auch Hildebrand stets dem Betrachter.

Die Ausstellung „Déjà-vu“ ist noch bis Sonntag, 31. Juli, in der Galerie „Kunst Faktor 20/21“, Frankfurter Straße 37, zu sehen, und zwar donnerstags und freitags von 15 bis 19 Uhr, sonntags von 14 bis 18 Uhr oder nach Vereinbarung.

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