Kötten: Wenn Kinder singen

Im Herbst wird es Rheinländern und Rheinländerinnen immer wieder bewusst, dass es für den von Kindern praktizierten Brauch, am Martinstag an Haustüren sammeln zu gehen, gar kein hochdeutsches Wort gibt.

Welches Kind würde ein anderes fragen: "Kommst du heute Abend mit, um mit deiner Fackel an den Haustüren Gaben zu ersingen?" Stattdessen gehen die Pänz im zentralen Rheinland "kötten" oder im angrenzenden Süden "schnörzen" (und seltener "dotzen").

In der Umgangssprache benutzt man diese Wörter heute ganz ungezwungen, weil man sie nur auf den beliebten Martinsbrauch bezieht. Allerdings bedeuten "schnörzen" und "kötten" in den rheinischen Mundarten eigentlich genau das, was man so deutlich eben nicht sagen will: lästiges, oft sogar gewohnheitsmäßiges Betteln - das natürlich auch einen guten Zweck haben kann: "Der Pastor hält sich am kötte(n)" heißt es dann schön rheinisch.

Die wahre Bedeutung zeigt sich schon in der Wortgeschichte. Schnörzen ist eine rheinische Variante von "schnorren", einem alten Gaunerwort, das wohl auf Wandermusikanten mit der Schnurrpfeife zurückgeht. Kötten ist sogar ein richtig altes Wort, das seine Wurzeln in der lateinischen Wortfamilie um quaeso/quaestum (gewinnsuchend, dringlich bitten) hat, die auch dem französischen Verb quêter (sammeln, erbitten) zugrunde liegt. Ein schönes Beispiel für die vielen romanischen Elemente im Rheinischen - und eine schöne Gelegenheit für rheinische Schulen, ihren Pänz zu St. Martin neben der Heiligengeschichte auch etwas heimatliche Sprachgeschichte zu verklickern.

In der Serie "Sprechen Sie Rheinisch?!" erläutern Sprachwissenschaftler des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte die Herkunft und Bedeutung interessanter rheinischer Begriffe. Haben auch Sie ein Lieblingswort, dann mailen Sie uns unter rheinisch@ga.de.

So hört sich Kötten gesprochen an; von Tanja Schneider, GA-Redakteurin, aufgewachsen in Ippendorf: Kötten

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