GA-Serie „Rheinische Redensarten“ Wenn us Katz en Koh wör, könnt me se om Schuuss melke

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir bedeutungstiefe Redewendungen. Dieses Mal: Wenn us Katz en Koh wör, könnt me se om Schuuss melke.

 Wenn unsere Katze eine Kuh wäre, dann könnte man sie auf dem Schoß melken.

Wenn unsere Katze eine Kuh wäre, dann könnte man sie auf dem Schoß melken.

Foto: GA-Grafik

Der Rheinländer ist verliebt in den Konjunktiv. Warum? Na ja, vielleicht weiß er als geborener Philosoph, dass alles auch anders sein könnte in der Welt. Deshalb sollte man nach Möglichkeit alles hinterfragen, was den Anschein erweckt, eine unverbrüchliche Wahrheit zu sein. So eine Form hat die rheinische Redensart: „Wenn us Katz en Koh wör, könnt me se om Schuuss melke.“ Der Versuchsaufbau dieser Wendung klingt irrwitzig. Auf Hochdeutsch übersetzt hieße es: Wenn unsere Katze eine Kuh wäre, dann könnte man sie auf dem Schoß melken.

Eigentlich ist oder vielmehr wäre das eine angenehme Vorstellung. Jedenfalls wenn man zur Riege der Landwirte gehörte, die Viehhaltung betreiben. Er könnte im Wohnzimmer sitzen und seine Arbeit verrichten. Da das aber keine reale Einschätzung der Lage ist, muss der Konjunktiv her. Auch in der Bibel wird gerne mit der Möglichkeitsform gearbeitet, die aber streng genommen eine Unmöglichkeitsform ist. „Was aber hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele.“ So übersetzte Luther Matthäus 16,26. Wenn etwas Mögliches nicht nur wenig wahrscheinlich, sondern sogar unmöglich ist, dann wird nicht nur der Konjunktiv I mit einem angehängten -e gebildet, sondern der Konjunktiv II, meist mit Umlaut. Der heißt konsequenterweise dann Irrealis. Und weil der teilweise ein bisschen veraltet klingt, wird im Alltag oft die Hilfskonstruktion mit „würde“ genutzt.

Das alles klingt zugegebenermaßen für Nichtdeutschlehrer kompliziert. Und auch die rheinische Wendung mit der Katze und der Kuh gehört zu den anspruchsvolleren Sprachbildern. Wer es sich etwas erleichtern möchte der sagt auf Hochdeutsch: „Wenn das Wörtchen wenn nicht wär, wär mein Vater Millionär.“ Geradezu hilfreich ist dem Rheinländer Konjunktiv im Gesamtsektor der entschuldigenden Ausreden. Wenn er also etwas hätte schon längst erledigen sollen, dann könnte er im Sinne von Karl Valentin sagen: Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut.

Der General-Anzeiger und der Verlag Lempertz haben die neuen Kolumnen von Jörg Manhold unter dem Titel „Rheinisch für Fortgeschrittene“ veröffentlicht. Das Buch ist im Handel erhältlich. Haben Sie auch eine rheinische Lieblingsredensart? Dann schreiben Sie uns unter rheinisch@ga.de

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