GA-Serie: Köln auf Schritt und Tritt Weniger Kundschaft auf der einst glanzvollen Hohe Straße

Köln · Die Hohe Straße in Köln ist eine der bekanntesten Einkaufsmeilen Deutschlands. Trotzdem wird es zunehmend schwerer, Mieter für die Ladenlokale zu finden.

Eine Traube von Menschen hat sich um die Straßenband herum gebildet. Einige filmen mit dem Smartphone, andere wippen mit dem Fuß im Takt der Musik. Applaus ertönt, als das Stück zu Ende ist. Gut gelaunt sammeln die Musiker die Geldspenden ein und ziehen weiter. Nur eine halbe Stunde dürfen sie am selben Platz spielen – so schreibt es die Stadt vor. Die Hohe Straße ist ein gutes Pflaster für Kölner Straßenkünstler, trotz zeitlicher Auftrittsbeschränkung. Weniger zufrieden dagegen betrachten die ansässigen Einzelhändler die Shoppingmeile, die für ihre Läden hohe Quadratmeterpreise zahlen müssen. Denn im Vergleich zu anderen Einkaufsstraßen hat die einst glanzvolle Hohe Straße in der Gunst der Kundschaft über Jahre verloren. Und ein schlüssiges Konzept für die Trendwende fehlt.

Die Hohe Straße kämpft mit Leerstand, die Fluktuation der Händler hat stark zugenommen. „Früher hatten wir für ein leer stehendes Ladenlokal fünf bis zehn Interessenten, heute sind es vielleicht noch zwei bis drei“, sagt Thomas Nandzik, Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft CBRE, die im Auftrag verschiedener Eigentümer einen Großteil der Objekte verwaltet. Die einst üblichen Wartelisten für Nachmieter sind passé. Viele Händler seien nicht mehr bereit, sich wie bisher üblich zehn Jahre an ein Objekt zu binden, sagt Nandzik.

Vor einigen Jahren hätten Händler den Vormietern noch Ablöse gezahlt, um früher in eine Immobilie einziehen zu können, heißt es. Heute dagegen bieten einige Mieter Nachfolgern sogar Geld, um früher aus dem Vertrag zu kommen. Dabei schaffen es Großstädte wie Köln, sich mit ihren Einkaufsmeilen auch in Zeiten des Online-Handels zu behaupten. „Die Menschen kommen von außerhalb in die Stadt, weil sie denken, dass man hier noch richtig gut shoppen gehen kann“, sagt Jörg Lehnerdt, Leiter der Kölner Niederlassung der BBE Handelsberatung.

Hohe Straße nur acht Meter breit

Die Voraussetzungen der Hohe Straße sind ideal. Touristen laufen von Hauptbahnhof und Dom aus geradewegs in sie hinein. Doch die Lage allein reicht offenbar nicht mehr. „Die Eigentümer müssen heute stärker auf die Wünsche der Händler eingehen und flexibler sein, was zum Beispiel Vertragslaufzeit und Ladenlayout angeht“, sagt Immobilienverwalter Nandzik. Zunehmend werde auch in Renovierungen investiert. An die architektonische Pracht aus Vorkriegszeiten kommt die Straße jedoch so nicht heran. An der fast vollständig zerbombten Shoppingmeile entstanden beim Wiederaufbau vor allem schmucklose Zweckbauten.

Eine generelle Hypothek: Die Hohe Straße ist nur acht Meter breit. In Zeiten des Wirtschaftswunders kompensierte die Einkaufsmeile das mit einem Angebot aus teils luxuriösen Geschäften, Cafés, Theatern – eine verlockende Mischung aus individuellem Einzelhandel sowie Freizeit- und Kulturangeboten. Heute ist die gastronomische Vielfalt mit ein paar Fast-Food-Buden rustikal. „Die Zusammensetzung der Straße entspricht eher dem Charakter des Einkaufszentrums einer Kleinstadt“, sagt Lehnerdt. Dafür fahre niemand extra nach Köln.

Doch es braucht nicht zwangsläufig große Namen, um ein besonderes Einkaufserlebnis zu schaffen. Die meist unabhängigen Einzelhändler im trendigen Belgischen Viertel machen es vor: Sie haben sich zusammengetan und den Veedels-Führer „Chic Belgique“ erstellt, in dem sie im Internet auf ihr Angebot und gemeinsame Veranstaltungen aufmerksam machen und so Kunden gewinnen. Auf der Hohe Straße fehlen solche Konzepte bislang.

Neuer Glanz bringt Saturn

Rund 9400 Passanten pro Stunde haben die Makler von Jones Lang Lasalle (JLL) in diesem Jahr an einem Samstagnachmittag gezählt. Es sind gut 3500 weniger als in der benachbarten Schildergasse, die Top-Mieter wie Apple anzieht: Der Technologie-Gigant nutzt den Laden auf der Schildergasse vor allem als Showroom und bietet dort Technik-Workshops für Kunden an. „Da hat man direkt großes Kino mit Apple und mehreren großen Kaufhäusern“, sagt Jörg Lehnerdt.

Etwas Glanz bringt der neue Saturn, der im Mai auf der Ecke Hohe Straße/Gürzenichstraße eröffnet hat. Es ist die erste deutsche Filiale der Elektronikkette, die – ganz nach dem Vorbild von Apple – stark auf das Kundenerlebnis setzt. Hier laufen die Besucher über einen interaktiven Boden, können sich 3D-Figuren drucken lassen oder im hauseigenen Café Pause machen.

Zugunsten des neuen Standorts hat sich Saturn sogar von seiner Filiale auf der Schildergasse verabschiedet. Dass ein Aufschwung der Hohe Straße doch möglich ist, zeigen die neuen Zahlen von Jones Lang Lasalle. Nach jahrelangem Abwärtstrend gab es ein Plus von über 1600 Passanten. Hier zumindest gehört die Hohe Straße laut den Immobilienexperten zu den „eindeutigen Gewinnern“. Die Händler dürfen also hoffen.

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