Maria João Pires mit dem London Symphonie Orchestra Wahre Transparenz

Köln · Kann die Musik die Seele des Menschen spiegeln? Wahrscheinlich, werden die Besucher in der Kölner Philharmonie gedacht haben, nachdem die bescheiden-freundliche "Grand Dame" der Klavierkunst, Maria João Pires, ihren Mozart-Vortrag beendet hatte.

 Maria João Pires bei der Probe in der Philharmonie.

Maria João Pires bei der Probe in der Philharmonie.

Foto: Thomas Brill

Mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von Daniel Harding begeisterte die heute in Brüssel lebende Künstlerin ihr Publikum.

Es ist natürlich ein beglückendes Wunder, wenn eine so außergewöhnlich sensible Instrumentalistin in extrem wohl behütende Hände gelangt wie bei diesem Treffen mit dem LSO. Der lebendige, in zahllosen Filmmusiken wie zur "Star-Wars"-Serie bemühten Sound mit dem seidigen Streicherglanz lässt sich kaum überbieten - was die Londoner in einem Ranking prompt auf den vierten Wertungsplatz in der Welt exponierte.

Es ist kein Zufall, dass im nächsten Jahr Simon Rattle dieses Orchester übernimmt - bei ihm hat Daniel Harding vor rund zwanzig Jahren als Assistent sein Dirigentendebüt gegeben. Doch zurück zur Solistin: Bei Maria João Pires erzählt Mozart selbst, die Melodien spinnen sich weiter, einzelne Perioden verwickeln sich in Gespräche, gleich zu Beginn entwickelt sich der direkte Dialog mit dem Orchester.

Die angesprochenen Streicher drücken nie auf ein Vibrato, wahren Transparenz, ohne klangliche Schönheit zu verschenken. Im Mittelsatz bestätigt Mozart selbst diesen Konversations-Ansatz, indem er eindeutig rezitativisch formuliert: Der Komponist spricht selbst. Die Pianistin schweigt nicht dazu, aber sie fungiert nicht als Erklärerin, sondern als Übersetzerin der Weltsprache Musik - frei von allen Eitelkeiten und Sonderheiten, die andere Künstler berühmt machten. Und zur Zugabe lädt sie ihren hellhörigen Begleiter Harding zu einem Doppel an den Flügel, zur Morgenstimmung von Grieg zu vier Händen, eher gemeint als berührend-originelle Geste denn als künstlerischer Hochgenuss.

Hardings Kür hieß Bruckners 4., ein Koloss, mit dem der Kölner GMD Roth just seinen Einstand gab. Harding ließ sich Zeit und dem Orchester die Zügel, der delikate Hornruf gelang, das Blech verströmte romantische Wärme. Der Selbstfahrer von der Themse ging jeden Stabwink des Dirigenten extrem flexibel mit, was über die Länge der Zeit und der immer wieder neu aufsteigenden Dramatik nach Wellentälern kein leichtes Unterfangen bleibt.

Bruckner fließt halt nicht wie Mozart, aber - und das zeigte der Dirigent aus Oxford überzeugend - niemand sollte sich der Kraft dieser Natur-Musik entgegenstellen; man sollte sie nutzen: Auf der Vierten lässt sich sportlich surfen. Große Begeisterung.

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