Übergriffe in der Silvesternacht in Köln "Straftaten in neuer Dimension"

Köln · Im Polizeipräsidium werden Superlative bemüht, um die Ereignisse der Silvesternacht rund um Dom und Hauptbahnhof begreifbar zu machen. "Dieser Einsatz hat alles getoppt, was wir bislang erlebt haben.

Das hat es noch nicht gegeben", sagt der Leitende Polizeidirektor Michael Temme. Sein Vorgesetzter, Polizeipräsident Wolfgang Albers, spricht von "Straftaten in völlig neuer Dimension" und einem "völlig unerträglichen Zustand".

Die Erklärungen der Beamten sind zugleich Ausdruck von Überraschung, Überforderung und zahlenmäßiger Unterlegenheit rund um den Jahreswechsel in der Innenstadt. In "großer Anzahl und massiver Form" seien Frauen Opfer von Sexualdelikten geworden, sagt Albers. 60 Anzeigen wegen Sexualdelikten und Diebstählen lägen vor. "Wir gehen von weiteren Taten aus, die uns noch nicht angezeigt wurden", sagt Albers. Festgenommen wurde niemand.

Drei Verdächtige, die am Sonntag im Bahnhof gefasst worden waren, sind wieder auf freiem Fuß. Zwei Männer landeten in Untersuchungshaft - allerdings wegen Taschendiebstahls und nicht wegen Sexualdelikten. Es seien Silvester lediglich Personalien von Verdächtigen registriert worden, die nun überprüft würden.

Die Dimension der Eskalation auf dem Bahnhofsvorplatz hat sich laut Polizei gegen 21 Uhr am Silvesterabend abgezeichnet. Bis zu 500 Tatverdächtige seien zu diesem Zeitpunkt beobachtet worden. Später sei die Zahl bis auf 1000 gestiegen. Albers spricht von einer "Tumultsituation". Alle 143 Polizisten, die in der Nacht in der Innenstadt zum Dienst eingeteilt waren, seien zum Bahnhof beordert worden. Die Bundespolizei war nach eigenen Angaben mit 50 Bereitschaftsbeamten und 20 Polizisten des Streifendienstes im Einsatz. Die Sperrung des Bahnhofsvorplatzes um Mitternacht sei erfolgt, weil Chaoten Böller in die Menge warfen. Die hohe Zahl sexueller Übergriffe sei erst hinterher deutlich geworden.

Nicht nur die Zahl der Täter, auch deren Vorgehen hat die Polizei überrascht. "Der Modus Operandi war uns neu", sagt Polizeidirektor Temme. In mehreren Kleingruppen sollen die Männer ihre Opfer angegangen haben. "Die Täter sind als Gruppe abgestimmt vorgegangen", so Wolfgang Wurm, Präsident der Bundespolizei Sankt Augustin. Als Verdächtige gelten Männer aus Nordafrika, die in der Vergangenheit bereits durch aggressive Trickdiebstähle und Raube aufgefallen waren.

Derweil versucht sich die Polizei für den Auftakt des Straßenkarnevals an Weiberfastnacht zu wappnen und einen neuerlichen Exzess an Straftaten und Übergriffen zu verhindern. Der Polizeipräsident und Oberbürgermeisterin Henriette Reker wollen in einem für heute anberaumten Gespräch die Möglichkeit einer Videoüberwachung für den Bahnhofsvorplatz eruieren. "Ziel ist es herauszufinden, wie die Menschen wieder besser geschützt werden können", sagte Reker.

An Weiberfastnacht erwägt die Polizei nun den Einsatz spezieller Fahrzeuge mit Teleskop-Kameras, den verstärkten Einsatz ziviler Aufklärer sowie einen besseren "Raumschutz". "Wir wollen stärker als bisher mobile Einheiten einsetzen, um schnell reagieren zu können", so Polizeidirektor Michael Temme.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort