Höhere Bußgelder Region will stärker gegen Missachten der Rettungsgasse vorgehen

REGION · Man lernt es in der Fahrschule: am Stauende ist sofort die Rettungsgasse zu bilden. Ignoranten drohen jetzt höhere Strafen: bis zu 320 Euro werden fällig. Die Feuerwehr im Kreis Ahrweiler will rücksichtslose Autofahrer anzeigen.

Sie wollen Leben retten nach einem Unfall auf der Autobahn. Doch sie können es nicht, weil sie im Stau nicht zum Unfallort kommen. Immer öfter stehen Feuerwehr, Polizei und Notärzte vor diesem Problem, weil Autofahrer es nicht schaffen, so zu fahren, dass eine Rettungsgasse gebildet wird. Doch viele wissen offenbar nicht, was sie tun und wie sie fahren müssen, um Platz für Rettungsfahrzeuge zu bilden. Und wenn sie es tatsächlich geschafft haben, gibt es immer wieder rücksichtslose Zeitgenossen, die die Rettungsgasse missbrauchen, sie zum Überholen nutzen oder sogar in ihr Wendemanöver starten.

Dass das klappt mit der Gasse, ist auch für die Feuerwehr Rheinbach eher eine Seltenheit. Aus diesem Grund waren die Wehrleute bei einem Einsatz auf der A 61 derart überrascht, auf der Fahrt zum Unfallort freie Bahn vorzufinden, dass sie ihr Handy zückten und das Video vor Freude über Facebook teilten, wie der GA am 20. November 2016 berichtete.

Geht doch, könnte man sagen, aber leider in vielen Fällen nicht. „Es gibt ganz wenige Kollegen, die sagen, wir haben gute Erfahrungen mit der Rettungsgasse gemacht“, sagt Rheinbachs Stadtbrandinspektor Laurenz Kreuser.

Gerade auf dem Autobahnabschnitt der A 61 zwischen dem Meckenheimer Kreuz und der Ausfahrt Swisttal sowie in Gegenrichtung bis Bad Neuenahr kommt es immer wieder zu Staus infolge schwerer Unfälle, zu denen die Einsatzkräfte ausrücken müssen. Und mitunter brauchen sie viele Minuten länger, um die Unfallstelle zu erreichen und Verletzte zu versorgen. „Das ist schon extrem, was auf dieser Autobahn passiert“, so Kreuser. „Es gibt so viele unvernünftige Autofahrer, die nicht mitdenken.“ Man könne nur immer wieder an die Autofahrer appellieren und sagen: „Stell Dir vor, Du bist da vorne drin und wartest auf Hilfe.“ Wenn gar nichts mehr gehe, lasse man Kameraden zur Einsatzstelle vorlaufen. Auch das Megafon sei dann im Einsatz. „Da muss ich aber aufpassen, dass ich nicht laut werde“, sagt Kreuser. Häufig müsse man auch Autos umdirigieren. „Das ist natürlich alles mit einem großen Zeitverlust verbunden, der im Extremfall Menschenleben kostet.“

Der Zeitpunkt ist wichtig

Auf deutschen Autobahnen ist es Pflicht, eine Rettungsgasse bei Staus zu bilden. „Sobald Fahrzeuge auf Autobahnen sowie auf Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen in eine Richtung mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden, müssen diese Fahrzeuge für die Durchfahrt von Polizei- und Hilfsfahrzeugen zwischen dem äußerst linken und dem unmittelbar rechts daneben liegenden Fahrstreifen für eine Richtung eine freie Gasse bilden.“ So steht es im Paragraf 11, Absatz 2, der Straßenverkehrsordnung. Bei einem Stau sollten Autofahrer also schon vor dem Stillstand an die Rettungsgasse denken. Bereits wenn der Verkehr zu stocken beginnt, steuert man das Auto idealerweise an den Rand des Fahrstreifens. Denn sobald die Autos einmal stehen, bereitet es oft große Probleme, Platz für die Rettungsfahrzeuge zu schaffen. Häufig kommt es zu fehlerhaften Fahrmanövern, Fahrzeugführer verharren wie im Schock mitten im Weg oder würgen sogar den Motor ab. Der ADAC rät, bereits bei stockendem Verkehr fünf Meter Abstand zum Vordermann zu halten, um bei Stau dann noch eine Rettungsgasse bilden zu können.

„Dieser Zeitpunkt ist enorm wichtig“, sagt Carla Bormann, Sprecherin des deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) in Bonn. Anfang des Jahres sei die Regelung geändert worden. „Jetzt gilt: Die Autos auf der linken Spur fahren immer nach links, alle anderen orientieren sich immer nach rechts“, erläutert Bormann. Das sei jetzt deutlich klarer und einfacher für die Autofahrer.

Was viele offensichtlich aber nicht wissen, ist, dass die Rettungsgasse so lange aufrechtzuerhalten ist, bis der Verkehr wieder fließt, mit keinem weiteren Stillstand zu rechnen ist und einige Zeit lang kein Einsatzfahrzeug die Rettungsgasse genutzt hat. „Wir erleben es ganz oft, dass Autofahrer, sobald das erste Rettungsfahrzeug passiert, sich wieder richtig hinstellen wollen“, sagt Bormann. Manche Unverbesserliche klemmten sich sogar an den Rettungswagen und fahren durch die Gasse. Davon kann auch Kreuser ein Lied singen. „Als Einsatzleiter fahre ich einen Pkw. Da komme ich irgendwie durch. Aber hinter mir machen unvernünftige Autofahrer oft direkt wieder zu, obwohl noch Rettungsfahrzeuge kommen.“ Dass es auf den Autobahnen so viele Probleme mit der Rettungsgasse gibt, ist für Bormann auch ein gesellschaftliches Problem. „Alle haben wenig Zeit, und wir stellen immer mehr Ellbogenmentalität auf den Straßen fest.“ Derartiges Verhalten nütze niemandem. Damit komme man auch nicht früher an sein Ziel.

Bundesregierung reagiert auf das Problem

Aufklärung tut not, zumal der DVR immer häufiger von Rüpeln hört, die bei Unfällen die Rettungskräfte behindern, weil sie Fotos mit ihrem Handy machen wollen.

Die Bundesregierung hat indes auf das Problem reagiert und ein höheres Bußgeld verordnet, was der Bundesrat am 22. September gebilligt hat. Die Regelung ist seit Kurzem in Kraft. Autofahrer, die Einsatzwagen von Rettungskräften und Polizei behindern, zahlen demnach höhere Geldbußen. Bisher waren das lediglich 20 Euro. Wer künftig bei stockendem Verkehr auf Autobahnen keine Rettungsgasse für die Helfer bildet, muss mindestens 200 Euro berappen. Im schwersten Fall werden bis zu 320 Euro fällig, verbunden mit einem Monat Fahrverbot.

Das ist immer noch wenig im Vergleich zu Österreich. Dort wird das Fehlverhalten sehr viel strikter geahndet. Wer auf den Autobahnen unterwegs ist und etwa die Rettungsgasse widerrechtlich benutzt, dem droht ein Bußgeld in Höhe von 2180 Euro.

Für die Feuerwehren im Kreis Ahrweiler will Kreisfeuerwehrinspekteur Udo Schumacher aus den jüngsten Vorfällen – Tanklöschfahrzeuge mussten sich 20 Minuten lang zu einem brennenden Gefahrstoffzug durchkämpfen, an dem dringend Löschwasser zur Kühlung der Ladung gebraucht wurde – die Konsequenzen ziehen.

„Für uns ist es ein Leichtes, jeden Autofahrer, der Einsatzfahrzeuge behindert, anzuzeigen. Wir notieren Datum, Kennzeichen, Ort, Uhrzeit und Zeugen, dann geht die Packung an die Polizei“, kündigt Schumacher rigide Maßnahmen an: „Weil die Leute es anders wohl nicht begreifen.“

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.runter-vom-gas.de. Dort lassen sich auch Broschüren zu den wichtigsten Themen zum Straßenverkehr herunterladen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort