Prozess in Bonn Notorischer Aldi-Dieb saß schon 18 Jahre hinter Gittern

Euskirchen/Bonn · 49-Jähriger steht vor dem Bonner Landgericht, weil er in Euskirchen Bettwäsche stahl und den Ladendetektiv mit einem Messer bedrohte. Der Angeklagte ist bereits wegen Bankraubes verurteilt.

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Zwei Drittel seines Erwachsenenlebens hat der 49-Jährige hinter Gittern verbracht: 18 Jahre saß er im Gefängnis, weil er Banken überfiel und räuberische Diebstähle beging – vor allem in Aldi-Märkten. Am Donnerstag stand er erneut wegen eines solchen Diebstahls vor dem Bonner Landgericht: In einer Euskirchener Aldi-Filiale hatte er am 20. Oktober 2015 Bettwäsche für 60 Euro gestohlen und den Detektiv, der ihn festhalten wollte, mit dem Messer bedroht. Und gleich zu Prozessbeginn gibt er die Tat zu.

Was aber treibt den Mann aus Gelsenkirchen dazu, immer wieder Straftaten zu begehen trotz der Gefahr einer weiteren Haftstrafe? Die Antwort: Er brauchte das Geld für seine Drogensucht. Wie er der 10. Großen Strafkammer schildert, fing alles an, als er 13 Jahre alt war.

Als Sohn eines Vater, der als Elektriker oft auf Montage war und zu Hause zuschlug, und einer Mutter, die eine Trinkhalle betrieb, war er als Schlüsselkind oft allein zu Hause. Er trieb sich mit Älteren herum, trank mit ihnen Alkohol, schwänzte die Schule und wurde gewalttätig gegen Mitschüler. „Ich war ein schlimmes Kind“, sagt er selbst. Mit 16 habe er Haschisch konsumiert, dann noch Kokain, und im Gefängnis Heroin. Schließlich brauchte er die Drogen jeden Tag und Geld dafür. Eine Ausbildung hatte er nicht, und weil die Jobs nicht genügend einbrachten, beging er Raubüberfälle. Mit 22 Jahren wurde er zu zehn Jahren Haft verurteilt.

1998 kam er auf Bewährung frei, nahm immer noch Drogen und brauchte Geld. Da habe er einen „Privatclub“ eröffnet und monatlich 30 000 Mark verdient. „Privatclub?“, fragt Kammervorsitzender Marc Eumann. Er habe Zimmer an Frauen vermietet, erklärt der Angeklagte, bestreitet aber energisch, deren Zuhälter gewesen zu sein.

Die Zeit in Freiheit währte nur kurz. Es folgten weitere Banküberfälle, viele Jahre in Haft, und nach der Entlassung begann die Serie von räuberischen Diebstählen bei Aldi. Warum immer Aldi, will das Gericht wissen. „Macht der Gewohnheit“, erklärt der 49-Jährige, der sich schließlich über seinen Verteidiger bei dem Ladendetektiv im Zeugenstand entschuldigt und erklärt: Es sei nicht Persönliches gewesen, er habe nur Angst gehabt, wieder im Knast zu landen, weil gegen ihn ein Haftbefehl lief.

Am 21. Februar dieses Jahres verurteilte ihn das Landgericht Düsseldorf wegen mehrerer Anklagen wegen Aldi-Diebstählen zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren und drei Monaten und schickte ihn in eine Entzugsklinik. Zum ersten Mal macht er nun eine Therapie, es gehe ihm gut dort, sagt er, er sei clean und wolle es bleiben. Denn, so versichert er: „Ich will nicht irgendwann mit den Füßen zuerst aus dem Knast kommen.“ Der psychiatrische Gutachter im Prozess schätzt die Chancen für den Mann, der „nicht dumm und bisher untherapiert sei“, nicht schlecht ein.

Um ihm diese Chance einer Therapiefortdauer mit einer in diesem Fall zu bildenden höheren Gesamtstrafe nicht zu nehmen, beantragt der Staatsanwalt schließlich das, was er in dem Verfahren bislang abgelehnt hatte: dieses Verfahren im Hinblick auf die im Februar verhängte mehrjährige Strafe vorläufig einzustellen. Und so geschieht es. Der 49-Jährige kann zurück in die Entzugsklinik.

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