Art Cologne Nach der Revolte ist vor der Revolte

Köln · Drei Gründe gibt es mindestens, die gestern mit reichlich Vernissagenpublikum eröffnete und noch bis Sonntag laufende Art Cologne zu besuchen. Erstens: Wer berauscht aus der großartigen Polke-Ausstellung im Museum Ludwig kommt und ganz versessen darauf ist, ein Werk dieses Meisters zu besitzen, wird auf der Kunstmesse das Passende im Angebot von 200 Galerien aus 23 Ländern finden.

 Kunst-Köpfe: Fotografien von Jeff Cowen bei Michael Werner (links), Holz-Porträt von Stephan Balkenhol (Deweer Gallery).

Kunst-Köpfe: Fotografien von Jeff Cowen bei Michael Werner (links), Holz-Porträt von Stephan Balkenhol (Deweer Gallery).

Zweitens: Das Angebot des Förderprogramms "New Positions" ist in diesem Jahr besonders stark. Und drittens: Die alte Tante Art hat sich liften lassen und beglückt mit neuer Übersicht auf drei Hallenebenen, die sich nicht nur durch die Bodengestaltung unterscheiden - heller Flausch in der Beletage bei den Klassikern und Blue-Chips, etwas robustere, graue Qualität auf der Ebene der etablierten Zeitgenossen und nackter, schwarz gestrichener Estrich bei den wilden Youngsters ganz oben.

Bei der Vernissage stellte sich eine gewisse Korrelation zwischen Auslegeware und Stimmung her: Gediegen bis langweilig bei der Klassischen Moderne, leger und etwas lärmig im Mittelfeld, mitunter konfrontativ und nicht immer geschmacklich trittfest im Oberstübchen der Halle.

Stolze elf Galerien haben Polke in Programm, dessen Werk diesmal Gerhard Richter den Rang abläuft. Der schönste Polke, oranges Kunstharz auf Polyestergewebe mit dem Titel "Der Froschkönig in seinem Garten" (1997), hängt bei Heinz Holtmann (Köln). Bei Mike Karstens (Münster) gibt es etwa die berühmte Mappe "Höhere Wesen befehlen" (Auflage 50 Stück) für 42 000 Euro - ohne die vier zugehörigen Zeichnungen.

Im höchsten Preissegment bewegt sich bei Samuelis Baumgarte ein "Sommernachtstraum" aus Ernst Ludwig Kirchners später Davoser Zeit (1937) für 7,59 Millionen Euro. Weitere Kirchners à rund drei Millionen Euro bei Henze & Ketterer. Abstraktes von Richter für 1,5 Millionen Euro in der Galerie Thomas.

Wer jenseits museumsreifer Kunst auf Entdeckungen aus ist, wird bei manchem spannenden Galerienprogramm fündig. Etwa bei Buchholz (Köln), wo neben wunderbaren Farbspuren des aktuellen Hahn-Preisträgers Michael Krebber ein Werk von Isa Genzken und herrlich hintergründige Malerei von Lucy McKenzie ins Auge fallen.

Ein Medley von Kippenberger, Oehlen und Polke gefällt bei Contemporary Fine Arts (Berlin), die mit Borden Capalino einen Versuchsballon steigen lässt, der sich im Geiste des deutschen Trios bewegt, aber mit 20 000 Euro für ein Großformat noch bezahlbar ist.

Die Galerie Eigen + Art ist immer ein Hingucker: Stella Hambergs riesiges Hundemonster aus Bronze (140 000 Euro) mit drei Köpfen, sechs Beinen und zwei Schwänzen bewacht das Entree, das zwischen einer post-post-postimpressionistischen Landschaft von David Schnell über Birgit Brenners Anarcho-Piktogramme bis zu Martin Eders klebrigem Hyperrealismus alles zu bieten hat, was das Herz begehrt (oder auch nicht).

Johannes Faber (Wien) hat Fotoklassiker im Programm, der Kölner Thomas Zander eine tollen Mix aus amerikanischer Fotokunst und Minimal-Art. Ganz frische Ware hat Konrad Fischer von Düsseldorf nach Köln gebracht: eine neue Arbeit von Tony Cragg aus bizarr geädertem schwarzen Marmor aus La Spezia und als Entdeckung die Malerin Tatjana Valsang. Karsten Greve (Köln) betört mit einem Graubner- und einem Kounellis-Raum, ist auch mit Twomblys gut sortiert.

Kollege Klaus Benden hat ein Tabernakel-artiges Objekt von Rauschenberg (1978) im Angebot, das er eigentlich gar nicht verkaufen möchte (soll aber 45 000 Euro kosten), außerdem neben den üblichen Warhols ("Mona Lisa" für 4,4 Millionen Euro) wohlfeile Fotogravüren von Robert Longo für bezahlbare 750 Euro das Stück.

Wer größer einsteigen will, kann mit Longos über zwei Meter hohem, akkurat mit Bleistift gestricheltem Tigerkopf bei Hans Mayer vorliebnehmen. Der Art-Cologne-Preisträger 2015 aus Düsseldorf zeigt, was ihn berühmt machte, etwa Paeffgen und Klauke, aber eben auch seine Neuentdeckung Zander Blom aus Pretoria.

Weitere Entdeckungen im Förderprogramm: Genannt werden müssen Elina Autios Rohrinstallation "Pipework", das tolle Fotoprojekt von Carmen Brucic "Adam & Venus", Diana Siriannis Rauminszenierung mit dem schönen Titel "Raumhippogryph II", die Schriftbilder Molly Springfields und die Malerei von Pius Fox. "Mit dem Ende der modernen Kunst fängt die Kunst erst an." Dieser Satz stammt nicht von einer Nachwuchskraft, sondern ist rund 50 Jahre alt und von Beuys, handgeschrieben unter dem Plakat "La Rivoluzione siamo Noi".

Messe Köln, Hallen 11.1 bis 11.3; bis Sonntag. Täglich 11-19, So 11-18 Uhr. Katalog 30 Euro

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort