Rheinische Redensarten Kum, sez disch ne Deu

Rheinland · Der GA stellt schöne und bedeutungstiefe Redewendungen vor.

 Komm, setz dich einen Augenblick.

Komm, setz dich einen Augenblick.

Foto: GA-Grafik

Der Rheinländer ist in der Standardausführung sehr gesellig. Das ist schon mal eine gute Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander. Aber: Das muss man nicht nur positiv finden. Denn das Pendel kann leicht auch in die andere Richtung ausschlagen. Und dann wird es nervig. Schließlich will man auch mal seine Ruhe haben. Wir nennen jetzt einmal die überbordende Geselligkeit des Rheinlandesen „Leutseligkeit“. Davon möchte sich der Filigranästhet absetzen. Zu diesem Behufe gibt es die rheinische Formulierung: „Kum, sez disch ne Deu.“ Es ist offensichtlich, hier handelt es sich um eine Einladung. Da sitzt jemand irgendwie in der Gegend rum und es kommt ein Bekannter des Wegs. Den bittet er, sich dazu zu setzen.

Was heißt in diesem Zusammenhang allerdings die Vokabel „Deu“? Wir kennen das Verb deuen als schieben, drücken, schubsen. Der Deu, also das Substantiv, beDEUtet also einen kleinen Schubs. Heute würde man vielleicht von einem Impuls sprechen, der eine Bewegung in Gang setzt. Dieser Impuls muss gar nicht so stark sein, es reicht, wenn er eine ohnehin schon vorhandene Bewegung in eine neue Richtung lenkt. Der Deu ist also nur ein Kleinbisschen. Und so ist dann auch die Redewendung zu DEUten: Komm, setz dich einen Augenblick.

Das ist wohl die passendste Übersetzung. Denn der Rheinländer kennt die Gefahr, die darin liegt, wenn sich ein anderer Rheinländer erst einmal niedergelassen hat. Es könnte sein, dass er so schnell nicht wieder aufsteht. Und das ist in jenem Moment nicht gewünscht. Die ausformulierte Aufforderung klänge so: Hallo, schön dich zu sehen, setz dich einen Augenblick und erzähl mal wie es dir so geht, und dann kannst du ruhig weiterziehen. Für Menschen, die diese sprachlichen Signale nicht richtig zu deuten vermögen, gibt es auch einen Begriff. Das sind die Kläävbotze mit der klebrigen Hose, die verhindert, dass sie sich alsbald abschiedshalber vom Stuhl erheben können.

Der General-Anzeiger und die Edition Lempertz haben die Kolumnen als Buch „Rheinisch für Fortgeschrittene“ veröffentlicht. Es ist über den Buchhandel zu haben. Hören Sie auch unseren Podcast „So geht Rheinisch“, abrufbar auf allen Medienplattformen und unter www.ga.de/podcast. Haben Sie auch eine rheinische Lieblingsredensart? Dann schreiben Sie uns unter rheinisch@ga.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort